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Die letzte Dämmerung: Roman (German Edition)

Die letzte Dämmerung: Roman (German Edition)

Titel: Die letzte Dämmerung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Connor
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Er brauchte den Treibstoff.
    Selbst nach zwanzig Minuten hatte sie sich noch nicht gerührt. Er wusste das, weil er die Uhr im Auge behielt – nicht, dass die Uhrzeit noch von großer Bedeutung gewesen wäre. Es war ja nicht so, als ob die Züge und Busse noch fahren würden oder Leute darauf gewartet hätten, nach einer anstrengenden Schicht die Stechuhr zu betätigen. Es war nichts mehr übrig bis auf Tag und Nacht. Sichere Zeiten und Zeiten, in denen man sich versteckte. Das war alles.
    Er lächelte beinahe. Es lag Freiheit darin, bestimmte Aspekte der modernen Welt loszulassen.
    Dann, als er gerade die Hoffnung aufgeben wollte – nicht darauf, dass sie etwas essen würde, aber darauf, dass sie nicht zu bockbeinig sein würde, Vernunft anzunehmen –, stand Jenna auf. Sie wich seinem Blick aus, als sie sich vor ihren Teller setzte. Aber sie nahm sich etwas von dem Auflauf. Und sie aß.
    »Jetzt rede schon«, sagte sie einfach.
    Und Mason hatte seine Antwort.
    Ganz gleich, wie lange es dauern würde, er würde eine Partnerin haben. Das hatte Mitch gesagt, als er seine schlaue, praktisch veranlagte Tochter beschrieben hatte – die Tochter, die umgekehrt nicht einmal eine Andeutung derselben Zuneigung empfunden hatte.
    Mason hatte sein Versprechen in der Annahme gegeben, mit dem Schlimmsten rechnen zu müssen. Er würde es versuchen. Und wenn Jenna Barclay sich als zu stur oder zu dumm erwies, den Rettungsring zu ergreifen, den er ihr zuwarf, würde er von diesem Versprechen entbunden sein. Jetzt sah er sie als die Art Frau, die jede Möglichkeit nutzen würde zu überleben, genauso wie sie jetzt die zu weich gekochten Nudeln mitsamt ihrem Stolz herunterschluckte.
    »Ich habe meine Familie nie gekannt, sondern bin bei Pflegeeltern aufgewachsen«, sagte er mit zugeschnürter Kehle. »Ich wurde oft herumgestoßen, aber nicht viel beaufsichtigt. Ich habe meinen ersten Supermarkt überfallen, als ich vierzehn war.«
    Jenna betrachtete ihn ungerührt. Er sah keinen Vorwurf und kein Mitleid in ihrem Gesicht. Nur genug Neugier, um annehmen zu können, dass sie aufmerksam zuhörte.
    »Bei diesen Anfängen hattest du ja keine große Zukunft«, sagte sie.
    »Keine Zukunft außerhalb des Strafvollzugs, nein. Aber Mitch hat mich da herausgeholt. Den Teufelskreis durchbrochen.«
    »Ich hätte nie gedacht, dass er der Typ großer Bruder war.«
    Mason schob seinen leeren Teller von sich. »Zwei Kumpel von mir und ich haben einen Schnapsladen überfallen. Ich war jahrelang nicht mehr in der Schule gewesen. Der Kerl hinter der Theke hat auf uns geschossen. Hab eine Kugel ins Bein gekriegt.« Er widerstand dem Drang, sich den Oberschenkel zu reiben, die Stelle, die immer wehtat, wenn er an seine Jugend dachte. Dummer Junge. »Aber statt auf die Bullen zu warten, bin ich in die Wälder geflüchtet.«
    »Wo Mitch und seine Busenfreunde immer kampiert haben.« Jenna rieb sich den Nacken, als ob sie müde wäre oder Schmerzen hätte, und Mason erhaschte einen Blick auf ihre geröteten Handgelenke. Er verspürte Gewissensbisse. »Sag nicht, dass du dich diesen Verrückten angeschlossen hast.«
    »Doch, habe ich.«
    Sie schnaufte. »Kaum besser als eine Sekte.«
    »Sie hatten wenigstens Ordnung und Ehre. Mitch hat sich um mein Bein gekümmert und mir beigebracht, wie man überlebt. Ich war jung. So etwas hatte ich noch nicht erlebt. Seine Leute wussten alles über solchen Scheiß von anno dazumal, Seifenherstellung und Kräuterheilerei. Es war ganz schön abgefahren. Ich dachte, die meisten von ihnen wären verrückt. Zuerst.«
    Jenna nippte an ihrem Wasserglas und sah auf ihren eigenen leeren Teller hinab, der geradezu saubergeleckt war. Sie zuckte die Schultern. »Ich hatte wohl doch Hunger.«
    »Scheint so.«
    »Wie lange ist das her?«
    »Inzwischen fünfzehn Jahre.«
    »Damals war ich in der Junior Highschool«, sagte sie; ihr Gesichtsausdruck wurde bitter. »Ich habe gute Zensuren nach Hause gebracht und war Kapitän der Volleyballmannschaft, während er sich mit irgendeinem Straftäter im Wald herumgetrieben hat. Also wirklich … Kann man vor einem solchen Mann Respekt haben?«
    »Ja. Aber mein Blickwinkel war auch ein anderer.«
    »Das will ich meinen.«
    »Er hat die ganze Zeit von dir geredet«, sagte Mason. »Davon, wie stolz er auf dich war.«
    »Blödsinn.«
    »Kein Blödsinn. Er hatte einen Umschlag voller Briefe über dich. Ich schätze, deine Mutter hat sie ihm geschickt.« Er stand auf, ging um den Tisch herum und wagte

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