Die letzte Dämmerung: Roman (German Edition)
Tru.
Aber niemand hörte ihm zu, weil der Wissenschaftler sich auf Mason stürzte und ihm einen Fausthieb auf die Nase versetzte.
Chris drückte die schmerzende Faust in seine Handfläche. Sein ganzer Unterarm zitterte, und seine Fingerknöchel fühlten sich an wie glühende Kohlen. Der Kopf des größeren Mannes war noch nicht einmal zurückgeschnellt. Aber wenigstens fasste Mason sich an die Nase und fluchte. Nicht schlecht für den ersten Schlag, den er seit der dritten – nein, seit der siebten – Klasse ausgeteilt hatte.
»Scheiße, was sollte das denn?«, fragte Mason.
»Ich weiß, dass du eine Weile im Wald verbracht hast, aber könntest du bitte deine Stimme dem Innenraum anpassen? Sonst machst du dem Kind noch Angst.«
»Ich habe doch schon gesagt, dass ich kein Kind bin.«
»Nein, du bist ein Arschloch«, blaffte er. »Besser so?«
Tru grinste.
»Ich habe sie gemeint.« Chris zeigte mit dem Daumen auf die Ecke, in der Penny saß. »Und wir haben hier übrigens drei Tage in der Falle gesessen. Denk ja nicht, dass du einfach wieder hereintrampeln und erwarten kannst, dass wir nach deiner Pfeife tanzen. Jetzt die Fakten. Bitte.«
Mason knurrte unterdrückt: »Schlag mich noch einmal, dann reiße ich dir den Kopf ab.«
»Können wir bitte mit der Scheiße aufhören?« Chris fuhr sich mit den Fingern durchs Haar, bis es hochstand. »Ich bin müde. Wir sind alle richtig, richtig müde. Zu grunzen und Drohungen auszustoßen wird Jenna auch nicht helfen.«
Er hatte schon lange genug mit Tieren zu tun, um zu erkennen, wenn eines verletzt war. Jennas Bisswunde war offensichtlich, aber Mason quoll förmlich vor Schmerz über.
Chris fuhr in sanfterem Ton fort: »Nur damit du es weißt: Das Arschloch da hat sich freiwillig für den Keller gemeldet.«
»Und ich war bewaffnet«, murmelte Tru.
Mason ließ sich auf einen Metallstuhl neben Jenna sinken. Vielleicht hatte der Fausthieb doch etwas Gutes bewirkt. Nach Wochen gescheiterter Versuche war es Chris endlich gelungen, Masons Sprache zu sprechen.
»Sie ist auf dem Rückweg im Wald gebissen worden. Das Fieber hat fast sofort eingesetzt, aber sie wollte weitergehen, um mich mit dem Gepäck hierher zu begleiten.«
Während Mason redete, bandagierte Ange seine aufgerissenen Fingerknöchel. Das gefiel Chris an ihr: Mehr als jeder andere hielt sie die Station am Laufen, ganz gleich, wie sie sich fühlte. Sie verlor überhaupt nur dann die Nerven, wenn es um ihre Tochter ging.
»Wir wurden getrennt, und ich wurde von einem kleinen Rudel in die Enge getrieben.« Masons Blick ging in weite Ferne. »Dann ist diese … Wölfin … aufgetaucht. Sie hat mir geholfen, mich gegen sie zu wehren.«
Als Tru sprach, war sein Ton der düsteren Lage angemessen. »Ich habe es geschehen. Erst war sie eine Wölfin … und dann war sie Jenna.«
»Eine Gestaltwandlerin?«, fragte Ange.
Chris warf ihr einen überraschten Blick zu. »Was bedeutet das?«
»Leute wie Edna, die aber überlebt haben«, sagte sie. »Ich habe nie daran geglaubt. Bevor alles den Bach runtergegangen ist, habe ich Gerüchte darüber gehört, dass im Osten alles wieder besser wird. Leute, die nach Westen vordrangen, haben Geschichten erzählt …«
»Über diese … Krankheit, an der Jenna leidet?«, fragte Mason mit konzentriertem Blick.
Ange zog den Kopf ein. »Ich weiß nicht mehr als das, was ich euch schon erzählt habe.«
Chris sah, dass es ihr zuwider war, Mason mit ihrem mangelnden Wissen enttäuschen zu müssen. Der große Mann seufzte und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht.
Statt wieder auf seine Faust zurückzugreifen, nahm Chris mit dem, was noch an Logik blieb, die Zügel in die Hand. »Lasst uns das einmal gründlich durchdenken. Was wissen wir?« Er zeigte zu den Fenstern hinaus, die jetzt, da die Sonne nicht mehr da war, schwarz vor ihnen lagen. Nicht, dass die Sonne je verschwand. Nicht wirklich. Aber Menschen hätten sich nicht in Wölfe verwandeln sollen, also war Naturwissenschaft jetzt keine große Hilfe. »Diese Monster da draußen. Was wissen wir über sie?«
»Sie waren schlechte Menschen«, sagte Mason in ausdruckslosem Ton. »Sträflinge und Kriminelle.«
Tru schnippte mit den Fingern. »Oh ja, die Overalls. Erinnert ihr euch, in der Grube?«
»Was wissen wir noch?«, fragte Chris.
Mason räusperte sich. Als Ange ihn losließ, spannte er die Finger unter dem Verband an – und Chris verspürte große Erleichterung darüber, dass sie ihn nicht mehr berührte. Er
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