Die letzte Dämmerung: Roman (German Edition)
dagegen.
Ein Schuss zerfetzte die Stille. Dann ertönten noch mehrere. Wie lange würde es dauern, bis ihm die Munition ausging? Mason war ihre einzige Verbindung zur Normalität, und er war draußen in der Kälte, kämpfte gegen diese Dinger – ganz gleich, was sie waren. Er hatte vorgehabt, ihr etwas zu beweisen, aber was zur Hölle würde aus ihr werden, wenn er starb?
Ihre Furcht rang mit ihrem Selbsterhaltungstrieb. Als ihr Atem ruhiger wurde, kroch sie zum Fenster und löste eine Ecke der Verdunklung. Da seine Munition aufgebraucht war, kämpfte Mason mit bloßen Händen – und seiner riesigen Taschenlampe – gegen die Kreaturen. Er war groß und stark, aber es waren zwei Dämonenhunde. Die Chancen standen nicht gut.
Ihr gefiel der Anblick des übelriechenden, zähflüssigen Speichels nicht, der ihnen von den Lefzen troff, als sie Mason ansprangen. Wenn sie ihn bissen … Nun, sie wusste nicht genug über diese verrückte neue Welt, um vorherzusagen, was dann vielleicht geschehen würde. Aber Tierbisse waren niemals gut.
Jenna sah sich verzweifelt in der Hütte um. Sie konnte ihn da draußen nicht allein lassen, nicht, wenn sie der Grund dafür gewesen war, dass sie sich überhaupt ins Freie gewagt hatten.
»Du bist doch schließlich Mitchs Tochter«, sagte sie laut, » tu etwas.«
Ihr Blick blieb auf dem kalten Kamin ruhen. Ein großes Holzstück lag ganz oben auf dem Stapel. Es würde eine tödliche Keule ergeben. Bevor sie es sich anders überlegen konnte, hatte Jenna es sich schon geschnappt. Sie tränkte das Ende mit Flüssiganzünder und entfachte es mit der Glut aus dem Ofen. Dann holte sie tief Atem und stieß die Tür gerade noch rechtzeitig auf, um Mason in die Knie brechen zu sehen. Er hatte einem der Monster beide Hände auf die Schultern gelegt, um es mit roher Gewalt von seiner Kehle fernzuhalten. Der zweite Hund kauerte sprungbereit da. Die Luft um sie herum knisterte und zischte; die Haare auf Jennas Unterarmen richteten sich auf, als hätte sie die Witterung eines elektrischen Feuers aufgenommen.
Jenna sprang von der Veranda und versetzte der zweiten Bestie einen solchen Schlag, als wollte sie zu einem Homerun beim Baseball ansetzen. Irgendetwas knackte und gab mit einem übelkeiterregenden Schlingern nach. Die Hinterbeine des Tiers knickten ein.
Mason riss dem anderen mit einer Drehung den Kopf ab. Einfach. Ab.
Jennas Hund zuckte noch, knurrte, versuchte zu kriechen. Sie machte einen Satz rückwärts, fort von den schleimigen, gezackten Reißzähnen. Friedhofsgestank erfüllte die Lichtung. Die zitternde Luft um seinen Körper herum wurde still, als er starb.
»Ich habe dir doch gesagt, du sollst drinnen bleiben«, stieß Mason hervor. Er kam leicht schwankend auf die Beine, sodass sie ahnte, dass der Kampf knapper ausgegangen war, als er gern eingestehen wollte.
»Gern geschehen«, murmelte sie. »Was machen wir mit ihnen ?«
»Liegen lassen. Fass sie nicht an.« Er schnüffelte an der Luft. »Wir sollten in Deckung gehen, bevor noch mehr auftauchen.«
»Ja … Okay.« Sie folgte ihm zurück in die Hütte; ein Zittern hatte sie übermannt.
Vielleicht hatte sie ihr Leben für nichts und wieder nichts riskiert. Vielleicht konnte er ganz allein zwölf von diesen verwesenden Monstern erledigen. Jenna sackte gegen die Wand, ohne erst den Mantel abzustreifen. Es schien in der Hütte mehr als kalt zu sein. Ihr klapperten die Zähne, also biss sie sie zusammen.
Was zur Hölle waren das für Dinger?
Zum ersten Mal wagte sie es, das Schlimmste anzunehmen. Was, wenn Mason recht hatte? Vielleicht hatten die Wirren schließlich doch noch die Westküste erreicht. Was, wenn Menschen, Städte und Zivilisation allesamt vor die Hunde gegangen waren? Kein geselliger Abend mehr im Louie . Keine mitternächtlichen Anrufe mehr, wenn Mara von ihrem neuesten Versager enttäuscht war. Keine Bibliotheken mehr, keine Tage in der Finanzberatungsfirma, in der sie schon arbeitete, seit ihre Mutter an Brustkrebs gestorben war.
Konnte das alles weg sein? Wirklich ?
Sie schlang sich die Arme um die Beine und ließ das Gesicht auf den Knien ruhen. Nicht weinen . Tränen waren nie eine Lösung. Die Lektion hatte sie an ihrem ersten Vater-Tochter-Tag in der Schule gelernt. Während Mitch irgendwo draußen im Wald gewesen war, hatten die anderen Kinder Sackhüpfen mit ihren Vätern gespielt. Aber vielleicht würde es sich endlich auszahlen, die Tochter des verrückten Mitch Barclay zu sein, zumindest
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