Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzte Dämmerung: Roman (German Edition)

Die letzte Dämmerung: Roman (German Edition)

Titel: Die letzte Dämmerung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Connor
Vom Netzwerk:
Augen gewesen war. Im Alter von siebzehn Jahren hatte Jenna am Krankenhausbett ihrer Mutter gesessen. Keine Diskobesuche oder Verabredungen mit Jungen. Stattdessen hatte sie ihrer Mutter, die aufgrund der Schmerzmittel nicht bei Sinnen gewesen war und nach Mitch gerufen hatte, beim Sterben zugesehen.
    Jenna war ihnen beiden nicht genug gewesen.
    Sie würde nie so enden wie ihre Mutter. Niemals. Ein Mann wie Mason würde nicht zufrieden sein, bis er ihren Willen gebrochen hatte. Mitch war in etwa genauso gewesen, wenn er zu Hause gewesen war. Zu sehr daran gewöhnt, als oberster Prophet und Quell aller Weisheit für die anderen Verrückten das Kommando zu führen, hatte er es gar nicht wahrgenommen, dass auch andere Gedanken, Gefühle oder Träume hatten.
    Nach ihrem Highschool-Abschluss hatte Jenna nicht ans College denken wollen. Ihre Energie war von der Krankheit ihrer Mutter so aufgezehrt worden, dass sie Zeit gebraucht hatte, um sich zu erholen. Wie bei Ange waren die Jahre vergangen, und sie hatte sich an ihre Routine gewöhnt: eine Fünftagewoche und Wochenenden mit ihren Freundinnen. Aber sie hatte sich immer zurückgehalten und Angst davor gehabt, was geschehen würde, wenn sie sich je zu nahe an jemanden heranwagte – oder sich gar verliebte.
    Tief in ihrem Inneren lauerte immer noch das alte Lied: Du willst nicht wie deine Mutter enden.
    »Also sind deine Eltern auch beide tot?«
    »Ja«, sagte Jenna. »Wir sind beide Waisenkinder.«
    Sie tauschten ein Lächeln über die Absurdität dieser Aussage. Dann reckte Ange sich und seufzte. »Bist du auch müde? Aber vielleicht bin ich bloß alt.«
    »Bist du nicht.«
    »Vierundvierzig fühlt sich aber so an.«
    »Hör auf damit, dich selbst zu bemitleiden. Ich wollte etwas zu essen machen«, murmelte Jenna. »Aber vielleicht … Nur Frühstück. Morgen.«
    Ange sackte zur Seite und rollte sich auf ihrem Bett zusammen. Sie redeten Blödsinn, der sie zum Kichern brachte wie Kinder auf einer Pyjamaparty. Die halb geleerte Flasche Cognac stand auf dem Boden zwischen ihnen. Langsam fielen Jenna die Augen zu, und sie überließ sich der samtigen Schwärze.
    Für eine kurze, selige Zeitspanne wusste sie nichts. Sie träumte nicht einmal.
    Ein Schrei durchbrach die Ruhe. Schieres Entsetzen, begleitet von einem Krachen und einem dumpfen Aufprall. Stimmen vermischten sich zu einem Nebel voller Panik. Jenna konnte keine einzelnen Wörter verstehen. Sie setzte sich zu schnell auf und stieß sich den Ellenbogen an der Wand.
    »Scheiße! Was ist denn jetzt los?«

16
    Mason stand mit entsicherter Neun-Millimeter-Pistole da und zielte. Der Schrei prallte immer noch wie eine Flipperkugel in seinem vom Schlaf vernebelten Kopf hin und her. »Verdammt, was zur Hölle geht hier vor?«
    »Sag du’s mir«, sagte Tru, der auf dem Boden neben seinem Bett ausgestreckt lag. Sein Blick ging zwischen der Pistole, die Mason hielt, und der Stelle, auf die sie zielte, hin und her – Pennys eierschalenweißem Gesicht. »Aber darf ich vielleicht vorschlagen, dass du dich von Kindern fernhältst?«
    »Spar dir das.«
    Mason riss Penny von der Tür weg und warf einen Blick auf den Flur hinaus. Die Luft war rein. Er drückte auf einen Knopf des Haustelefons gleich neben dem Eingang zum Schlafsaal und wählte das Labor an.
    »Ja, was ist?« Welsh klang hellwach. Schlief er denn nie?
    »Ist die Postenkette durchbrochen?«
    »Äh, wie bitte?«
    »Sind irgendwelche Monster hier eingedrungen?«
    Der Wissenschaftler lachte etwas fahrig und ungläubig. »Glauben Sie etwa, dass ich Ihnen mit Worten antworten würde, wenn welche hier wären? Wohl eher gurgelnd und schreiend und …«
    »Antworte direkt, Harvard«, rief Tru.
    »Nein, nichts. Es ist ruhig. Was ist los?«
    Statt zu antworten, legte Mason die Neun-Millimeter-Pistole auf ein hohes Regal. Sein Schädel fühlte sich wie ein Hornissennest an, und er rieb sich den Kopf mit zitternden Händen; so unberechenbar und nervös war er nie zuvor gewesen.
    »Was tut sie in unserem Zimmer?«
    Tru lachte. Sein zerzaustes schwarzes Haar stand in alle Richtungen ab. »Nimm deine Antidepressiva, und rede mit ihr. Wie du es in der Hütte getan hast, weißt du noch?«
    Obwohl er sich nicht im Geringsten in der Lage fühlte, ein kleines Mädchen zu trösten, holte Mason tief Luft. Wenigstens weinte sie nicht. Obwohl eben noch eine Pistole auf ihr Gesicht mit den großen blauen Augen gerichtet gewesen war, sah sie ihn nicht furchtsamer an als den Rest dieser Welt

Weitere Kostenlose Bücher