Die letzte Dämmerung: Roman (German Edition)
Panik verschwand nicht aus ihrem Gesicht, als sie ihn aus umschatteten Augen anstarrte. Irgendwo zwischen seinen Ohren begann es zu kribbeln. Das Gefühl, dass ihr Verstand ihn drängte, um einen Einblick in seinen zu erhaschen, war unverkennbar. Er lächelte und kam sich gefährlich vor. »Wonach suchst du da drinnen?«
»Sperr mich nicht aus. Was ist los, John?«
Er genoss diese Vertraulichkeit zu sehr, aber sie tat vieles, was ihm gefiel. Er hatte sich beinahe in dem sanften Rhythmus ihrer Hände verloren, die über seine Haut und seine Narben geglitten waren. Ihre Gedanken hatten sich mit seinen vermengt und nicht um Erlaubnis gefragt, als sie unter der Tür hindurchgeschlüpft waren, durch die Risse. Sie hatte ein verführerisches Netz aus Bildern gewoben und sie ihm dargeboten – Trost und Wärme, Sicherheit und eine Atempause.
Dann hatte sie ihn innerlich versengt und ihn voll eisigem Zorn zurückgelassen. Dass er sie danach mit Welsh gesehen hatte, hatte seine Wut nur noch gesteigert.
»Ich werde Chris nicht ›in Frieden lassen‹, solange er dich nicht in Ruhe lässt.«
»Seit wann hast du etwas darüber zu sagen, was ich …«
»Was du tust? Darüber habe ich alles zu sagen.«
»Warum zur Hölle ist das so?«
Mason packte sie am Oberarm. Warum hatte sie ihn in ein bettelndes Tier verwandelt, nur um ihn dann fallen zu lassen? Aufgestaute Anspannung wartete nur auf einen Funken, um ihn zum Explodieren zu bringen. Die Furcht davor, zu weit zu gehen, sorgte dafür, dass er sich im Zaum hielt, wenn auch nur gerade eben.
»Vergiss bloß nicht, wo du wärst, wenn ich dich nicht in den Kofferraum gesteckt hätte.«
»Ja, danke.« Sie riss sich aus seinem Griff los; vermutlich würde sie blaue Flecken bekommen. »Aber du bist weder mein Vater noch mein Gefängniswärter. Also halt die Schnauze.«
Seine Luftröhre zog sich zusammen. Dieses eine Mal hatte er sich halbwegs ausdrücken können. In der Hütte hatte er mit ihr gesprochen, ohne dieses verstopfte Gefühl in der Brust zu haben. Aber sie hatte ihn zum Narren gehalten, und das tat mehr weh, als er eingestehen wollte. Seit wann ist sie mehr als nur Mitchs Tochter? Er begehrte sie zu sehr, und das wirkte sich auf alles aus, was er tat.
»Gut«, sagte er. »Dann amüsiert euch doch mit Chris, du und Ange.«
»Ich will ihn nicht.«
»Und mir ist es egal.« Er versuchte, lässig die Schultern zu zucken. »Ich bin jedenfalls nicht mehr dein Zeitvertreib.«
Sie kniff die Augen zusammen und schüttelte langsam den Kopf. »Du bist wirklich dämlich.«
»Spar dir die Mühe. Wenn wir den Strom erst wieder zum Laufen gebracht haben, kannst du mir erklären, was da oben wirklich passiert ist. Aber pass auf, dass du dich unkompliziert ausdrückst.«
Mason ließ sie mit der schief gehaltenen Taschenlampe stehen. Ihre Körperhaltung verriet eine Niederlage oder Erschöpfung. Muss wohl Letzteres sein. Die dumme Frau gab doch niemals auf.
Vergiss es.
Er hatte vorgehabt, Jenna abzulenken, aber das Gespräch hatte sich gegen ihn gerichtet. Er stellte es immer falsch an, konnte ihr nichts vermitteln und hatte verdammt noch mal keine Ahnung, wie er es richtig machen sollte! Also ging er weiter.
Das Wasser, das auf den Beton tropfte, klang hier lauter. Mason fand den Generator und sagte: »Bringst du die Taschenlampe her? Bitte.«
Jenna stapfte durch den Tunnel und richtete das Licht auf den grauen Rumpf des Generators. Das Tröpfeln sorgte dafür, dass der Tunnel sich wie eine Höhle anfühlte.
Er erinnerte sich an Katie, eine Pflegemutter, die er im Grundschulalter gehabt hatte. Sie und ihr Lebensgefährte hatten ein renovierungsbedürftiges Haus in einem guten Viertel gekauft. Aber Mason hatte gelernt, sich aus ihren wüsten Streitereien herauszuhalten. Ob sie betrunken oder nüchtern gewesen waren, hatte keine Rolle gespielt. Er hatte verabscheut, wie sie gleich nach einer Auseinandersetzung weiter an dem verdammten Haus gearbeitet hatten, in eisigem Schweigen.
In diesem Augenblick erinnerte Jenna ihn an Katie. Bis dahin hätte er es nie für möglich gehalten, dass jemand eine Taschenlampe so sarkastisch ausrichten konnte.
»Hier, folg dieser Linie bis zur Wand«, sagte er und deutete auf einen Wasserschlauch. »Bitte.«
»Du kannst jetzt damit aufhören.«
»Ich achte ja nur auf meine Manieren. Ich dachte, du hättest es gern zivilisiert?«
Sie schaute finster drein und leuchtete an dem Schlauch entlang. Dort, wo die Leitung auf die Wand stieß,
Weitere Kostenlose Bücher