Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzte Dämmerung: Roman (German Edition)

Die letzte Dämmerung: Roman (German Edition)

Titel: Die letzte Dämmerung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Connor
Vom Netzwerk:
in den dunklen Fluren totenstill. Seltsam, dass die anderen ihm ohne Widerspruch folgten. Vielleicht hatte ein bisschen dieser Tut-was-ich-sage-Ausstrahlung auf ihn abgefärbt, weil er so viel Zeit in Masons Gesellschaft verbracht hatte.
    Prima.
    Er sprang die Stufen hinauf. Dort oben war es auch dunkel, aber nicht so pechschwarz wie im Bunker. Schatten kreisten, und es gefiel ihm nicht, dass er sich hier wie auf dem Präsentierteller vorkam. Um in den Beobachtungsturm zu gelangen, mussten sie links abbiegen und zum Ende des Flurs gehen. Nicht weit, aber weiter, als ihm lieb war.
    Warum zur Hölle brabbelte Harvard da irgendetwas über Schläuche und Düsen? Tru bedeutete den beiden Erwachsenen, still zu sein. Pen war schlau genug, nicht zu jaulen – oder vielleicht hatte das arme Kind auch überhaupt keinen Verstand mehr. Tru hatte Mitleid mit ihr, aber aus einer beschissenen Situation musste eben jeder selbst das Beste machen. Das tat er schon seit verdammt langer Zeit.
    Die Brust tat ihm weh, aber Tru griff nicht mit der Hand dorthin, um die Beklemmung zu lindern. Er war nicht mehr der kleine Junge, der sich in Einbauschränken versteckte. Seine Springerstiefel machten kein Geräusch, da er Masons leichte Schritte nachahmte, als er um die Ecke bog. Ein dumpfer Knall ließ ihn erstarren. Dann ertönte noch einer – und noch einer. Körper prallten gegen verstärktes Metall.
    »Das ist die Außentür«, flüsterte Ange.
    Die Monster wollten herein. Tru atmete aus und versuchte, den Atemzug nicht zittern zu lassen. Was jetzt, du Genie? Rauf, wo man sich nirgendwo verstecken kann, oder runter, zurück in die Dunkelheit? Ein Teil von ihm wollte sich beklagen, dass er nicht hätte gezwungen sein sollen, diese Entscheidung zu fällen. Aber Mason brauchte eine rechte Hand in der Mannschaft, und das bedeutete, dass er sein Hirn benutzen musste.
    »Wenn irgendetwas hereinkommt, können wir ohne Licht nicht kämpfen«, sagte er leise.
    »Also nach oben.« Harvards Gesicht wirkte im Lichtschein der Taschenlampe gespenstisch.
    Tru nickte und rannte den Flur entlang, so schnell ihn seine Füße trugen, brachte Abstand zwischen sich und den heftigen, rhythmischen Angriff auf die Außentür. Das Geräusch klang seltsam, wie die Trommeln eines Naturvolks; es lauerte unmittelbar jenseits der Wände und wartete darauf, sie alle zu verschlingen. Die anderen folgten ihm dichtauf.
    »Wir sehen uns gut um«, sagte er, als er begann, die Treppe hinaufzusteigen. »Vielleicht können wir erkennen, was da draußen ist.«
    »Wir wissen, was da draußen ist«, antwortete Ange.
    Sie erreichten das obere Stockwerk. Alle waren außer Atem. Ange nahm Pen in die Arme und wiegte sie mit einer Zärtlichkeit, die Tru zugleich wütend und traurig machte. Er hätte sie gern geohrfeigt. Du hilfst ihr damit nicht, Mädchen. Sie muss lernen, damit zurechtzukommen. Das müssen wir alle. Aber das ging ihn verdammt noch mal nichts an. Außerdem … Was wusste er schon? Er hatte sich mithilfe von Toastbrötchen und Videospielen selbst erzogen.
    Das Gewehr angelegt und Harvards Waffe in der anderen Hand rannte er zum Fenster. Eine ganze Wand aus Glas ließ das Zwielicht ein, und der Kontrast brannte ihm in den Augen. Tru beugte sich vor, um festzustellen, was sich unten abspielte. Es war noch mehr Schnee gefallen: Er lag jetzt etwa dreißig Zentimeter tief, und die Bäume trugen weiße Hemden, die mit eisigen Diamanten überzogen waren, eine Szene wie aus einem Robert-Frost-Gedicht, die eine Weihnachtskarte hätte zieren können.
    Aber Trus Aufmerksamkeit galt nicht lange dem Winterwunderland, sondern richtete sich stattdessen auf das fast erfrorene, klapperdürre Rudel von Dämonenhunden. Als würden sie seinen Blick auf sich ruhen spüren, warfen die Monster alle zugleich die Köpfe zurück und stießen ein unheimliches Heulen aus.
    Jenna fühlte sich, als ob sie sich gleich übergeben müsste. Sie zitterte am ganzen Körper. Sie hatte schon zuvor kurze Visionen erlebt, aber nichts derart Intensives. Das hier war der Grand Canyon der außerkörperlichen Erfahrung, und sie war einfach hineingestürzt. Als Teenager hatte sie einmal LSD genommen und sich danach fast genauso schlecht gefühlt, aber sie hatte die Erfahrung eigentlich nicht wiederholen wollen.
    Mason redete und klang wie eine altmodische Schallplatte, die sich mit halber Geschwindigkeit drehte. Einen furchtbaren Moment lang hatte sie sich selbst vor diesem Tiermenschen stehen sehen, nur

Weitere Kostenlose Bücher