Die letzte Dämmerung: Roman (German Edition)
spritzte erst einmal, dann noch einmal zu Füßen des rechten Monsters auf.
Mason verstand den Wink mit dem Zaunpfahl und zielte auf das Monster, das ihm von links in die Flanke zu fallen versuchte. Der Schuss zerschmetterte ihm das Hinterbein. Der Hund winselte und rutschte mit Schwung über den glatten Boden, wobei er eine Blutspur hinter sich herzog. Noch einmal betätigte Mason den Abzug, und der Hund brach mit zerschmettertem Schädel zusammen. Zur Rechten lag Jennas Hund in einer roten Pfütze.
Mason ließ die Stirn auf sein angewinkeltes Knie sinken. Seine Oberschenkelmuskeln schmerzten dort, wo sich vor Wochen die Klauen des Tiermenschen hineingegraben hatten. Die Genesungszeit und der Bewegungsmangel sorgten dafür, dass er stärker außer Atem war, als es ihm behagte.
Und sie hatten erst eine Lichtung überquert. Wabaugh war fünfunddreißig Kilometer entfernt. Dann fünfunddreißig Kilometer zurück. Wie viele Monster befanden sich auf der Strecke dazwischen? Der Rest des Rudels würde bald hinzustoßen, ganz gleich, wie geschwächt es war. Also würden sie diese sechs Kadaver liegen lassen …
Fünf.
Er zählte noch einmal. Sein Herz erstarrte zu Eis.
»Mason!«
Grauer Pelz schoss zwischen den Bäumen hervor, direkt auf ihn zu. Er bekam einen Armvoll fettigen Fells und drahtiger Muskeln ab. Gebleckte Reißzähne schnappten nur Zentimeter von seinem Gesicht entfernt zu. Übelriechender Atem, der nach Tod und altem Fleisch stank, drang ihm in die Nasenlöcher. Die Luft fühlte sich verändert an, als ob er im Schlamm kämpfte. Seine Gliedmaßen wurden bleischwer und reagierten nicht mehr. Nur durch schiere Willenskraft konnte er den Unterarm unter das Kinn des Hundes stemmen und ihn gegen dessen Luftröhre drücken. Mit der anderen Hand kämpfte er darum, rasiermesserscharfe Krallen davon abzuhalten, ihm die Arme zu zerfleischen.
Aber mit dem Schwung von seinem Sprung brachte der Hund Mason aus dem Gleichgewicht. Er fiel hintenüber und prallte mit dem Kopf auf das Eis. Sterne drehten sich vor seinen Augen, und mit einem harschen Keuchen verengten sich seine Sinne zu Nadelspitzen.
»Ich kann nicht frei schießen!«, rief Jenna.
»Wenn er mich beißt, tötest du uns beide!«
Die anderen würden es nicht schaffen, wenn er starb. Er sah es. Spürte es. Experiment beendet.
Unbändiger Zorn legte einen Schalter in seinem Kopf um. Er zog die Beine unter den weichen Bauch des Tiers und trat zu. Das knurrende Ding flog rückwärts und landete unbeholfen auf der Seite. Mason rappelte sich hoch und zog seine Neun-Millimeter-Pistole. Jennas Schuss und sein eigener trafen den Hund an zwei verschiedenen Stellen – Schulter und Rumpf – und ließen seinen Körper herumwirbeln. Ein Kopfschuss setzte seinem Leben ein Ende.
Die Lichtung hallte von den letzten Schüssen wider. Benommen und außer Atem bemerkte Mason, dass er das Vogelzwitschern vermisste. Er hatte früher immer damit gerechnet, dass Vögel ein Spektakel veranstalten würden, wenn er seine Waffe abfeuerte, aber jetzt blieb nur Stille.
Bis das Heulen einsetzte.
Im ganzen Wald stieg wie Musik, die von einem Surroundsystem gespielt wurde, das Heulen von den Baumwurzeln her in die stahlgrauen Wolken auf. Ein urtümlicher Schauer lief ihm über den Rücken und ließ seine gerade erst verheilten Wunden jucken. Das Geheul wurde vielstimmiger und lauter, aber die haarsträubende Harmonie des Winselns klang nicht aggressiv. Es war ein Klagelied. Sechs Krieger lagen auf dem Schlachtfeld hingestreckt, und diese seelenlosen Bestien sangen.
Mason hatte schon gewusst, dass sie einst Menschen gewesen waren, aber das hier fühlte sich anders an als das abstrakte Wissen. Es gefiel ihm nicht, sich mit ihnen zu identifizieren. Nicht im Geringsten.
Auf der anderen Seite der Lichtung kam ein zerlumptes Rudel magerer Hunde zwischen den Bäumen hervorgeschlichen. Der Ausdruck ihrer Zombiegesichter veränderte sich nicht – sie ließen die Kiefer hängen und wirkten bloß abwesend. Das hier waren keine Krieger. Sie waren dem Verhungern nahe und würden nicht mehr lange durchhalten. Mason unterdrückte ein kleines Aufflackern von Hoffnung.
»Mason?«, fragte Jenna angespannt.
»Ja«, sagte er und richtete sich auf. »Die da haben keinen Kampfgeist mehr.«
Die Knie seiner Jeans waren nass, und Blut sickerte aus ein paar oberflächlichen Wunden. Sein Schädel brummte. Aber jeder Zentimeter Haut war frei von Bisswunden. Das war genug.
Er ging auf Jenna zu. Ihr
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