Die letzte Eskorte: Roman
vertreiben.«
»Armeeoffiziere.« Hawthornes Miene verdüsterte sich. »Sie haben mein Mitgefühl.«
»Oh, nicht nötig. Einen der beiden habe ich bereits kennengelernt, und er besitzt ein ausgezeichnetes Urteilsvermögen. Es schien ihn gar nicht zu interessieren, dass mein Mantel nicht scharlachrot, sondern blau ist.«
»Hoffen wir, dass dieser Gleichmut in Bezug auf die Mode länger als ein paar Tage anhält. Meiner Erfahrung nach sind die Landstreitkräfte sich immer uneins mit den Seestreitkräften.«
»Das war auch immer meine Ansicht, Mr Hawthorne, allerdings glaube ich, dass keiner der beiden Dienste das Betätigungsfeld des anderen wirklich versteht. Armeeoffiziere begreifen nicht, warum Schiffe in einem Sturm nicht vorankommen oder warum wir die Landstreitkräfte nicht an einer Leeküste absetzen können. Andererseits missverstehen die Seeleute, wie man Armeen am besten auf einem bestimmten Gelände einsetzt oder warum die Truppen so langsam marschieren.«
»Hoffen wir, dass es bei wenigen Missverständnissen bleibt.«
Augenblicke später standen Hawthorne und Hayden an der Reling, während der ausgestoßene Reverend Worthing seinen Habseligkeiten nachschaute, die in ein Boot verfrachtet wurden. Er würdigte Hayden keines Blickes, machte auch keine Anstalten, sich in irgendeiner Weise zu verabschieden, sondern stieg wortlos über die Reling. Als er jedoch mit dem Kopf auf Höhe des Schanzkleids war, hielt er doch inne, da er offenbar das letzte Wort haben musste.
Der Geistliche bedachte Hayden mit düsterem Blick, der Mund war verkniffen, die Lippen bildeten einen dünnen Strich. »Was meine schlechte Behandlung hier an Bord betrifft, so mag Lord Hood vielleicht rasch von Ihrer Unschuld überzeugt gewesen sein, aber der Allmächtige wird sich nicht so schnell täuschen lassen. Ihre Seele ist befleckt.«
Der Mann verschwand über die Jakobsleiter, und Hawthorne wandte sich Hayden zu. Ein großes, ungläubiges Lächeln breitete sich auf seinem ansprechenden Gesicht aus. »Nun, da haben Sie es. Gott wird Sie bestrafen, weil Sie seinen Geistlichen in der Kabine eingesperrt haben. All das Unheil, das er im Sinn hatte, war zweifellos der Wille unseres Herrn.«
Die Crew war nicht so wohlwollend wie Hawthorne und lachte offen bei dieser letzten Drohung des Reverends. Der Spott in ihren Äußerungen war nicht zu überhören. Selbst die Rudergasten in der Barkasse, die den Geistlichen zu Pool bringen sollten, grinsten unverhohlen. Einige Männer riefen dem Mann Unverschämtheiten nach, doch da schritt Hayden ein und wies Franks an, die Matrosen zum Schweigen zu bringen – aus Respekt vor dem Berufsstand, nicht aus Respekt vor Worthing.
Im Verlauf seiner Karriere in der Navy hatte Hayden selten erlebt, dass es gerecht zuging. Daher konnte er nun gar nicht genug von dem Anblick bekommen, als er sah, wie Worthing über die Bucht zu Kapitän Pools Majestic gerudert wurde.
Da es sich nicht gehörte, sich seine Schadenfreude anmerken zu lassen, versuchte Hayden, möglichst neutral aufs Wasser zu blicken. Doch insgeheim verschaffte es ihm schon jetzt Befriedigung, wenn er nur daran dachte, dass der Kapitän, der ihn von Gibraltar bis nach Toulon verleumdet hatte, bald seine liebe Not mit einem Mann wie Worthing haben würde. In diesem Zuge fragte sich Hayden, ob Gott sich nicht gelegentlich doch in die Angelegenheiten der Menschen einmischte, um für Gerechtigkeit zu sorgen.
Einige Möwen kreisten über der kleiner werdenden Barkasse und dem aufrecht sitzenden Geistlichen, der sich unverstanden und falsch behandelt fühlte. In Haydens Ohren klang das Geschrei der Seevögel wie ein spöttischer Nachruf. Worthing versuchte indes, die Tiere mit gebieterischer Geste zu vertreiben, doch genau das schien die Boshaftigkeit der Möwen noch anzustacheln.
Hayden konnte nicht anders, er musste laut lachen.
Die Admiralskajüte an Bord der Victory kam Charles Saunders Hayden wie ein Palast vor. Dabei hatte er noch vor Wochen über die Ausmaße seiner eigenen Kajüte auf der Themis gestaunt. Der Tisch, der beinahe die gesamte Breite des Schiffes einnahm, stellte Haydens unlängst erstandenen Esstisch in den Schatten, nicht nur von der Länge her, sondern auch durch die prunkvolle Ausstattung.
Zweiundzwanzig Personen fanden daran Platz, ohne dass man gedrängt saß, und auf dem Tisch, der sechs Fuß tief war, prangten eine Anzahl Silberkandelaber und Teller, die Hayden sich von seinem bescheidenen Gehalt nie hätte leisten
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