Die letzte Eskorte: Roman
Schuldgefühl, dass es den Engländern nicht gelungen war, die Stadt zu halten.
Die Frau presste ihre lieblichen Lippen zusammen und nickte zustimmend.
Die Verzweiflung stand so deutlich in ihren Gesichtern geschrieben, dass Hayden mit diesen Flüchtlingen fühlte.
»Verzeihung, Kapitän«, fuhr die Dame fort und bestand darauf, weiterhin Englisch zu sprechen, »aber wissen Sie, was mit uns geschehen wird, was Lord Hood mit uns vorhat?«
»Tut mir leid, Madame«, erwiderte Hayden auf Französisch, »aber Lord Hood hat mich nicht in seine Überlegungen mit einbezogen.«
Die Frau jedoch blieb bei der englischen Sprache. »Wir fürchten, dass Lord Hood uns womöglich in Genua oder Neapel absetzen wird. Das darf er nicht. Die Armee, die uns aus Toulon vertrieb, wird schon bald weiter nach Süden marschieren – so sagen es jedenfalls alle -, und dann werden wir erneut gezwungen sein, die Flucht zu ergreifen, oder wir geraten in Gefangenschaft und müssen auf die Guillotine, weil wir den Engländern geholfen haben. Wir müssen an einen sicheren Ort gebracht werden – nach England oder Kanada.«
Hayden glaubte, dass sich die Befürchtungen der Damen bald als berechtigt erweisen könnten. Die Offiziere sprachen untereinander oft davon, dass die jakobinische Armee früher oder später in die norditalienischen Staaten einfallen könnte.
Die Frau machte nun einen Knicks. »Pardon, Monsieur. Ich heiße Madame Bourdage und dies ist meine Tochter Héloise.«
»Charles Hayden, enchanté.«
Madame Bourdage wendete nun den Blick von Hayden und schaute links an Hayden vorbei, ehe sie und ihre Tochter einen tiefen Knicks machten. »Sir Gilbert«, sagten sie.
Hayden drehte sich um und sah den Engländer, der eben noch von Bittstellern umringt gewesen war. Der Mann nickte ihm förmlich zu, sprach jedoch die Damen an.
»Madame Bourdage. Mademoiselle. Wie ich allen anderen schon sagte, ich habe noch keine Antwort erhalten, wohin man Sie nun bringen wird. Aber ich rechne sehr bald mit einer Entscheidung. Man hat Sie nicht vergessen, seien Sie dessen gewiss.« Sir Gilberts Benehmen war höflich und charmant. Auch diesem Gentleman war die Schönheit der beiden Damen nicht entgangen. Das Alter, so hatte Hayden schon oft festgestellt, dämpfte diese spezielle Bewunderung bei Männern nicht.
Die beiden Damen knicksten zum Abschied vor Hayden und folgten dann dem Gentleman, dem sich auf dem Deck noch weitere Männer und Frauen aus Toulon anschlossen.
Hayden schaute der Entourage einen Augenblick lang nach.
»Sir Gilbert Elliot«, hörte er einen Mann hinter sich sagen.
Als Hayden sich in Richtung des Sprechers umdrehte, sah er einen jungen Armeeoffizier, der ihn anlächelte und mit einem Nicken auf den englischen Gentleman wies, der inzwischen umgeben war von einer ganzen Schar Heimatloser.
»Der Freund von Burke?«, erkundigte sich Hayden erstaunt.
»Genau der.« Der junge Mann verbeugte sich. »Oberst John Moore.«
»Charles Hayden, Kommandant der Fregatte Themis.«
»Das dachte ich mir. Sie werden uns nach Korsika begleiten?«
»Ja, und ich freue mich schon darauf. Ich komme gerade von Lord Hood, der mir diese Entscheidung mitteilte, aber ich muss gestehen, dass ich noch nicht viel über den Einsatz weiß.«
Das verschwörerische Lächeln ließ Moore noch ein wenig jünger erscheinen. »Da trifft es sich ja gut, dass ich bezüglich dieses Planes mehrere Gespräche mit Sir Gilbert, General Dundas, meinem Vorgesetzten, und Lord Hood geführt habe.« Er deutete mit einer Hand voraus. »Kommen Sie, gehen wir ein wenig über Deck, dann kann ich Ihnen erzählen, was ich erfahren habe.«
Hayden stimmte gleich zu. Zwischen den See- und den Landstreitkräften bestand häufig Misstrauen, wenn nicht gar Feindschaft, doch von alldem ließ Moore nichts erkennen. Natürlich hatte Hayden ihn eben erst kennengelernt und wusste nicht, ob sich der Offizier auch in nächster Zeit noch so zuvorkommend im Beisein eines Offiziers der Navy benehmen würde. Aber das würde Hayden früh genug erfahren. Von der äußeren Erscheinung her war Moore das Gegenteil von Hayden – er hatte blonde Haare, blaue Augen, war jedoch so groß wie Hayden und ebenso gut gebaut. Wenn Ausgeglichenheit und Lebhaftigkeit in einem Menschen zusammenfanden, dann schien Moore ein solcher Mensch zu sein. Hayden gewann schnell den Eindruck, dass dieser Mann sehr mit sich und der Welt zufrieden war – ungewöhnlich für einen so jungen Menschen.
»Sie haben zweifellos
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