Die letzte Eskorte: Roman
Bucht, sodass Hayden damit rechnen musste, dass die Boote entdeckt würden. Langsam ließ er nun das Fernrohr über die Stellungen gleiten und suchte nach dem geringsten Anzeichen von hastiger Geschäftigkeit. Doch alles blieb vollkommen ruhig, nirgends eine auffällige Bewegung.
Rechts von der Bucht lag die Konventsschanze – Moores vornehmliches Ziel -, und auch dort herrschte Stille. Eine umfassende Inspizierung der Anhöhen hinter der Schanze ergab nichts Auffälliges, sehr zu Haydens Erleichterung.
Schon bald würde der Oberst seine Truppen über die Anhöhen nach unten führen, wenn er es nicht bereits getan hatte. Auch wenn die Schanze bereits stark beschädigt war, wollte der Oberst nicht auf den Überraschungseffekt verzichten.
Am Vortag hatten Hayden und er lange über den Angriffsplan gesprochen. Wäre es nun besser, zuerst die Fregatten anzugreifen? Oder sollten nicht erst die Regimenter der Armee losschlagen? Würden die Truppen innerhalb der Schanze durch Haydens Angriff gewarnt und umgekehrt? Und wenn dem so wäre, welche Vorgehensweise der Briten brachte nun die wenigsten Nachteile?
Der Plan eines gleichzeitigen Angriffs war sofort wieder fallen gelassen worden. Solche Aktionen waren schwer zu koordinieren. Es gab einfach zu viele Unwägbarkeiten, als dass man auf ein gutes Gelingen zu See und an Land hätte hoffen dürfen.
Schlussendlich waren sie übereingekommen, dass der Sturm auf die Befestigungen unumgänglich war, um die Franzosen zu vertreiben. Die Eroberung der Fregatten hingegen hatte keine nennenswerten Auswirkungen auf die Situation an Land.
Daher warteten Hayden und seine Männer jetzt vor der Bucht auf die ersten Laute des Sturmangriffs.
»Können Sie schon irgendetwas erkennen, Kapitän?«, wollte Hawthorne im Flüsterton wissen.
Hayden verneinte mit einem Kopfschütteln. »Nein, nichts.« Um ein Gespräch gar nicht erst aufkommen zu lassen, schüttelte er erneut den Kopf. Er sah, dass Hawthorne grinste, und tat es dem Leutnant gleich. Beide unterdrückten ein Lachen. Hayden brauchte nicht lange nach dem Anlass für die Heiterkeit zu suchen – der Leutnant der Seesoldaten sah nicht weniger komisch aus als Hayden selbst. Die Gesichter hatten sie sich mit verkohlter Korkrinde geschwärzt, und nun leuchteten die Augen im Mondlicht wie der stiere Blick eines Betrunkenen hinter einer Maske.
Childers justierte die Ruderpinne ein wenig, damit die Barkasse nicht abdriftete, und die Rudergasten tauchten die langen schwarzen Riemen ins Wasser und hielten die Position gegen die Strömung. Hayden hörte, wie die Männer atmeten und unruhig hin und her rutschten. Er glaubte gar, die Anspannung der Männer in dem Schweißgeruch wahrzunehmen. Zu langes Abwarten vor einem Gefecht war noch nie gut für die Kampfmoral gewesen. Denn unweigerlich dachte ein jeder, dass der Feind nun Zeit hatte, sich vorzubereiten, sodass der eigene Vorteil immer kleiner zu werden schien.
Ein schwarzer Kutter scherte aus der Position aus und glitt langsam nach vorn. In der Heckducht beugte sich ein Offizier über die Bordwand zu Hayden herüber.
»Ich habe gerade Moores Kompanie den Hügel herunterkommen sehen, Kapitän.« Es war Wickhams Stimme. »Sie sind fast unten, Sir.«
Hayden hob eine Hand zum Dank. Wer sonst außer Wickham wäre in der Lage, die Vorgänge an Land zu sehen? Hoffentlich bekamen die Franzosen davon nichts mit, da sie sehr viel näher am Geschehen waren.
Nach dem ersten, unglückseligen Gespräch hatte Winter seinen Leutnant zu Hayden geschickt. Der Mann war eigentlich schon zu alt, um noch die Leutnantsuniform zu tragen, und das war ihm wohl auch bewusst. Denn bei jeder Kleinigkeit versuchte Barker, sich zu behaupten, oder tat so, als wisse er alles besser.
In Haydens Kajüte hatten sie anhand der Karten über das weitere Vorgehen gesprochen. Man ging verschiedene Angriffsmöglichkeiten durch, bis man sich letzten Endes nur in einem Punkt einig war: Hayden sollte mit den schwarzen Booten die Minerve angreifen, die tiefer in der Bucht lag. Ohne es zugeben zu wollen, befürchtete Leutnant Barker, dass seine eigenen Boote im Mondlicht zu sehen sein würden. Denn er bat Hayden, die französischen Crews als Erster zu überraschen, damit seine eigenen Boote bessere Chancen hatten.
Bei den ersten Salven auf die Schanze sollte Hayden dann mit seinen Booten entlang der südlichen Küste der Bucht gleiten, möglichst weit entfernt von der Schanze. Dadurch würde er die Minerve vom Heck her
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