Die letzte Eskorte: Roman
der Mann kompetent war, wusste Hayden nicht – vielleicht war er es nicht –, aber glücklos und verbittert war er auf jeden Fall. Selbst seine Einkünfte als Vollkapitän hätten ihm ein angenehmeres Lebensumfeld ermöglichen müssen als jene triste Kajüte. Winter hatte es gar nicht gefallen, dass es da womöglich eine Verbindung zwischen Lord Hood und ihm, Hayden, gab. Dabei hatte Hayden den Admiral erst vor Kurzem kennengelernt, der abgesehen von Philip Stephens der erste Mann innerhalb der Navy war, der überhaupt Interesse an ihm bekundet hatte.
Haydens Wut ebbte ab. Er hätte fast lachen mögen. Entweder hatte er keinen Gönner und musste sich in der Navy einen Platz erkämpfen, oder seine Vorgesetzten beorderten ihn zu einem Kommandanten wie Josiah Hart oder trugen ihm auf, Geschütze auf Anhöhen zu transportieren – und für diese Mühen musste er sich dann obendrein den Groll von Kapitänen gefallen lassen, die glücklos in ihren Kajüten hockten. Es war schon komisch.
Als Hayden über die Reling der Themis kletterte, sah er, dass der Schiffszimmermann und dessen Gehilfen eine zweite Schicht schwarze Farbe auf das Holz der Beiboote auftrugen, die bereits kohlenschwarz aussahen. Auf geteertem Segeltuch hatten die Männer die Riemen aufgereiht. Schiffsjungen versahen diese Ruder hastig mit schwarzer Farbe, nahmen es dabei aber nicht so genau und kleckerten gehörig.
»He, ihr Pack!«, rief Franks, als er Hayden über die Reling steigen sah – denn zuvor hatte der Bootsmann die Schiffsjungen eher amüsiert beobachtet. »Wenn ich auch nur einen Klecks Farbe auf unserem sauberen Deck finde, dann knüpfe ich euch mit dem Kopf nach unten an den Rahen auf, dass euch das Blut ins Gesicht schießt und die Augen hervorquellen.«
Sofort bemühten sich die Jungen, die Farbe gewissenhaft aufzutragen, und strichen übertrieben lange mit den Pinseln über das Holz.
»Mr Archer, wie ich sehe, haben Sie alles unter Kontrolle.«
Archer tippte an seinen Hut und lächelte. »Das hoffe ich doch, Sir. Haben Sie gesehen, wie Mr Hawthorne die Crew drillt? Ich habe ihm die Erlaubnis dafür erteilt, Sir. Ich hoffe, ich habe meine Kompetenzen nicht ...« Die Stimme des Leutnants wurde leiser und erstarb schließlich.
»Ich kann Ihre Entscheidung nur gutheißen, Mr Archer«, erwiderte Hayden in freundlichem Ton. Archer suchte immer noch seine Rolle als Erster Leutnant, und Hayden wollte ihn dabei in jeder Hinsicht unterstützen. »Und vergessen Sie nicht, dass sich die Männer die Gesichter schwärzen sollen.«
»Aye, Sir«, sagte der Leutnant nicht ohne Erleichterung. »Ich werde dafür sorgen, dass die Männer nachher wie die Schiffsjungen dort aussehen.«
Sie lachten beide. Da Hayden Mr Barthe auf dem Quarterdeck erblickte, begab er sich nach achtern. »Mr Barthe, dürfte ich Sie einmal etwas fragen? Sie sind schon so lange im Dienst, dass Sie bestimmt viel über andere Offiziere wissen. Ist Ihnen ein gewisser Vollkapitän Winter bekannt?«
»Meinen Sie diesen Rumbastard?«, grummelte Barthe. »Ich hörte, dass er das Kommando über die Foxhound hat. Was haben wir mit dem zu schaffen?«
»Er wird uns die restlichen Männer für den Angriff auf die Fregatten zur Verfügung stellen. Leider hatte ich soeben ein wenig zufriedenstellendes Gespräch mit ihm.«
»Ich kenne keinen geizigeren Offizier in der Navy, Mr Hayden. Kein Zahlmeister bleibt bei ihm, weil sie alle sagen, sein Handelsbrauch ist so scharf und kostet sie nur Geld. Können Sie sich das vorstellen? Sein Handelsbrauch ist schärfer als der eines Zahlmeisters!«
»Ich habe seine Kajüte gesehen und muss sagen – sie ist ziemlich schäbig. Der Mann trug eine sehr alte Uniformjacke, die geflickt war, dazu noch an mehreren Stellen.«
»Das ist der Kerl, Sir. Aber es liegt nicht an glücklosen Investitionen oder an schwierigen Lebensverhältnissen, wie man vielleicht glauben könnte. Nein, es ist die Knauserigkeit. Er besitzt noch jeden Penny, den er irgendwann verdient hat, Sir. Alles schlau angelegt. Die Leute sagen, er ist reich wie ein Lord. Ich habe selbst gehört, dass seine Frau und seine Kinder in Armut leben, Kapitän Hayden. Die Leute scherzen schon, dass er seine Kinder zum Betteln losschickt, aber manchmal frage ich mich, ob es überhaupt als Scherz gemeint ist. Warten Sie’s ab, nachdem Sie die Hilfe seiner Männer in Anspruch genommen haben, schickt er Ihnen eine Rechnung.« Barthe lachte über seinen eigenen Scherz.
»Danke, Mr Barthe. Es ist
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