Die letzte Eskorte: Roman
erreichen, wo die Franzosen am wenigsten mit einem Angriff rechneten. Beide Offiziere hofften, dass die Franzosen nur auf eine Attacke auf der Steuerbordseite vorbereitet waren, nicht aber an Backbord, also zur Küste hin.
Der Plan war einfach und fußte allein auf Haydens Geschick, sich unbemerkt der Minerve zu nähern. Sobald die Crew der Fregatte in heller Aufruhr wäre, könnte es Barker gelingen, die Fortunée am Bug anzugreifen, wo keine Kanone rechtzeitig in Stellung gebracht werden konnte. Nachdem sich die beiden Offiziere also auf diese Vorgehensweise geeinigt hatten und Barker der Ansicht war, der Plan stamme von ihm, hatten sie sich fast freundschaftlich verabschiedet.
Hayden lauschte nun immer wieder gespannt in die Stille und wartete auf ein Anzeichen des Sturmangriffs. Moore beabsichtigte, die Stellungen mit aufgepflanzten Bajonetten zu erobern, aber die Franzosen würden gewiss sofort das Feuer eröffnen, wenn sie den Feind gewahrten.
Auch Moore verließ sich auf den Moment der Überraschung. Die meisten Geschütze in der Schanze waren inzwischen unbrauchbar – aber eben nicht alle. Ketten- und Traubengeschosse stellten daher immer noch eine große Gefahr für die britischen Infanteristen dar, und Hayden hoffte, Moore möge nicht in das Feuer der Kanonen geraten. Der Oberst würde sich an die Spitze seiner Männer setzen und könnte als einer der Ersten fallen – die britische Armee würde einen fähigen Offizier verlieren, einen Mann, den Hayden inzwischen sehr schätzte.
Hayden bemühte sich, langsam und ruhig auszuatmen, um mögliche Laute an Land nicht von seinen eigenen Atemgeräuschen zu überdecken. Die Geräusche, die er um sich herum in der Barkasse wahrnahm – ein leises Räuspern hier, ein Kratzen über eine unrasierte Wange dort – erschienen ihm unglaublich laut. Da jeder Seemann wusste, wie der Schall über das Wasser hallte, zuckten die Männer in den Booten schon beim kleinsten Laut zusammen.
Ein kaum wahrnehmbarer, dumpfer Knall, wie aus weiter Ferne, drang zu ihnen über die gekräuselte See. Gespannt sogen die Rudergasten die Luft ein und erstarrten auf ihren Plätzen. Der Laut war so schwach gewesen, so unbestimmbar, dass Hayden schon glaubte, einer Einbildung erlegen zu sein. Gerade als die Männer wieder ausatmeten und die Schultern lockerten, war erneut der Widerhall von zwei Schüssen zu hören.
»Musketenfeuer!«, wisperte Hawthorne aufgeregt.
»Mr Wickham ...« Hayden erhob die Stimme ein wenig, um sich Gehör zu verschaffen. »Folgen Sie uns. Ein Boot hinter dem anderen.«
»Aye, Sir«, antwortete Wickham und flüsterte dem nächsten Boot zu: »In einer Linie hintereinanderbleiben.« Kurz darauf hatte der Befehl auch das hinterste Boot erreicht, und alle setzten sich in Bewegung.
Die Männer beugten sich über die Riemen und waren sichtlich erleichtert, dass es endlich losging.
»Langsamer jetzt«, mahnte Childers, »langsam.«
Die Männer fanden einen gemäßigteren Rhythmus. Hayden schaute abwechselnd von der nahen Küste zu den Fregatten tiefer in der Bucht. Wenn man sie jetzt von den Schiffen aus entdeckte, würde man sie mit Traubengeschossen und Musketenfeuer fürchterlich zurichten.
An Bord der Fregatten waren nun Bewegungen zu erkennen, Männer eilten an Deck. Hayden lauschte auf die Befehle der Offiziere, um herauszufinden, wie die Männer handeln würden, aber die Franzosen sprachen so leise, dass Hayden die Worte nicht verstehen konnte. Da er niemanden in die Masten aufentern sah, glaubte Hayden, dass die Franzosen nicht aus der Bucht segeln würden, wenn die Schanze in britische Hände fiel. Der Befehl lautete gewiss nach wie vor, die Schiffe in Brand zu setzen oder gezielt zu versenken.
Inzwischen brandete wildes Musketenfeuer bei der Schanze auf, und als die britischen Boote die kleine Bucht ansteuerten, drang der Lärm noch intensiver zu ihnen herüber. Hayden sah jetzt die aufblitzenden Mündungen der Musketen in den Stellungen. Zu seiner Erleichterung hatten die Franzosen noch keine größeren Geschütze abgefeuert.
Die Kampfgeräusche nahmen weiter zu, Rufe wurden überlagert von Musketen- und Pistolenfeuer. Inzwischen konnte man auch das Klirren von Stahlklingen in der Ferne hören, und da Hayden nun glaubte, dass sie sich nicht mehr ganz so leise verhalten mussten, befahl er den Rudergasten, die Riemen schneller durchs Wasser zu ziehen.
Die Bucht war klein, und schon bald erreichten sie das schmal zulaufende Ende.
»Ruderpinne backbord,
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