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Die letzte Eskorte: Roman

Die letzte Eskorte: Roman

Titel: Die letzte Eskorte: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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meiner Kabine aus kann ich den Mann auf dem Vordeck herumspazieren hören, selbst durch das geschlossene Oberlicht hindurch – sogar bei heftigem Wind. Heißt das dann etwa, dass er auf niemanden Rücksicht nimmt?«
    Hawthorne lachte. »Ich glaube nicht, dass stets der Umkehrschluss gilt. Mr Barthe stampft immer über Deck, weil er sich immer über irgendetwas ärgert – man könnte auch sagen, dass unser Master die Welt als einen riesigen Affront betrachtet. Und da gleicht sein Stampfen seinem ewigen Gefluche – es ist seine Art, gegen die Ungerechtigkeit der Navy und gegen das Leben allgemein zu protestieren.«
    »Sie haben wohl schon länger darüber nachgedacht.«
    »Nur seit ein paar Tagen. Aber ich habe damit begonnen, darauf zu achten, wie die Menschen gehen.«
    »Ich möchte lieber gar nicht wissen, was sie aus meiner Art und Weise zu gehen schlussfolgern.«
    »Oh, Ihre Schritte sind leicht zu deuten, Kapitän. Sie wissen, wo Sie hinwollen. Ihre Schritte klingen fest. Ich weiß genau, wann Sie oben an Deck herumgehen. Das würde ich immer heraushören.«
    »Ich weiß nur, dass wir Kurs aufs Mittelmeer halten, Mr Hawthorne, alles Weitere ist noch unklar. Vielleicht hören Sie mich ja in wenigen Wochen übers Deck stolpern, mal hierhin, mal dorthin.«
    »Nein, Sir, das wird Ihnen nicht passieren. Sie treten fest und entschlossen auf.« Er nahm noch einen Schluck Portwein. Offenbar hatte sich das Thema der Schritte erschöpft.
    »Nun sind wir wieder alle beisammen, Mr Hawthorne.«
    Der Leutnant der Seesoldaten hob sein Glas wie zu einem Trinkspruch. »Was für ein Glück, dass sich jeder von uns über die Gesellschaft des anderen freuen kann. Denn niemand sonst will uns haben«, merkte er trocken an.
    »Das ist in der Tat ein großes Glück. Konnten Sie Ihre Angelegenheit in Bath zu einem zufriedenstellenden Abschluss bringen?«
    »Doch, ich bin sehr zufrieden, Kapitän Hayden, danke der Nachfrage.« Hawthorne beugte sich vor und sprach mit einem Mal sehr leise. »Rein zufällig erfuhr ich während meines Aufenthaltes in Bath etwas über unseren Doktor. Wussten Sie, dass er der Navy beitrat, um sich einer unangenehmen Situation zu entziehen? In Portsmouth bekundete er großes Interesse an einer jungen Dame, doch seine Hoffnungen wurden enttäuscht. Ihre Familie akzeptierte ihn nicht, müssen Sie wissen.«
    »Also fuhr er nicht zur See, um seiner Familie zu entfliehen? Es tut mir leid, dass er so viel Pech hatte, dabei hätte ich es wissen können. Mehr als einmal hat er Andeutungen gemacht.«
    »Aber es geht noch weiter. Als ich von seinem Unglück erfuhr, war ich entschlossen, diese Dame kennenzulernen, da sich ihre Familie gerade in Bath aufhielt. Es gelang mir sogar, sie auf einer Soiree zu entdecken, und ich bat einen Bekannten, mich der Dame vorzustellen. Mir war gleich aufgefallen, dass sie eine echte Schönheit war, aber als ich mich ihr näherte und sie sprechen hörte, wurde mir schlagartig bewusst, dass sie zu den Frauen gehört, die nicht einen Moment den Mund halten können – ich wette, diese Frau plappert selbst im Schlaf noch. Doch dabei gab sie nie etwas Geistreiches oder in irgendeiner Weise Interessantes von sich. Ich weiß, dass die Liebe auch einen praktisch denkenden und besonnenen Mann blind macht, und dennoch war ich erstaunt. Einen Moment lang spielte ich mit dem Gedanken, die Aufmerksamkeit der Dame auf mich zu lenken, um dann all ihre Hoffnungen zunichtezumachen, aus Rache für all den Kummer, den sie unserem Freund bereitet hat, aber schließlich besann ich mich eines Besseren. Kurze Zeit später jedoch unterhielt ich mich gerade mit einer hübschen Dame, die sehr viel Charme und Bildung besaß, als ich feststellte, dass sie nicht nur die ältere Schwester jener Dame war, die meines Erachtens Griffiths’ Gefühle verletzt hatte, sondern dass ich falsch unterrichtet worden war. Sie war die Dame, die diese große Enttäuschung herbeigeführt hatte. Und das ergab viel mehr Sinn, denn jetzt konnte ich mir sehr wohl vorstellen, dass unser Doktor ihrem Charme erlegen war. Und so erfuhr ich davon: Als im Verlauf unseres Gesprächs ein paar Details unserer Fahrt zur Sprache kamen, fragte sie mich, ob ich nicht viel lieber an Land leben wolle, da ich die Gefahren auf See kennengelernt hätte. Ich erwiderte, dass wir mit einem fabelhaften Schiffsarzt führen und uns deshalb keine Sorgen zu machen brauchen. Griffiths werde uns immer zusammenflicken, fuhr ich fort. Obediah Griffiths? ,

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