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Die letzte Eskorte: Roman

Die letzte Eskorte: Roman

Titel: Die letzte Eskorte: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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Dr. Worthing hatte etwas Hochnäsiges an sich, wenn er sprach, und verlieh selbst der kleinsten Feststellung Gewicht.
    »Ich bin nur Schiffsarzt, Dr. Worthing.«
    Worthing ließ die volle Gabel, die er zum Mund führte, wieder auf den Teller sinken und setzte eine säuerliche Miene auf. »Ist es dann nicht ein wenig anmaßend, sich Doktor zu nennen? Mein Bruder war Arzt, ließ sich aber stets nur mit Mister anreden.«
    An diesem Punkt hielt Hayden es für angebracht, sich zugunsten des Doktors einzumischen.
    »Seeleute sprechen die Ärzte unter den Offizieren immer mit Doktor an. Das war auf fast allen Schiffen der Fall, auf denen ich diente.«
    »Dennoch ist das eine seltsame Angewohnheit. Wissen die Matrosen denn nicht, dass es ein Unterschied ist, ob jemand ein einfacher Schiffsarzt oder ein studierter Arzt ist?«
    »An Land mag es ja zutreffen, dass niedergelassene Ärzte über mehr Wissen verfügen, Dr. Worthing«, sagte Barthe in verbindlichem Ton. »Aber auf einem Schiff ist der Arzt eben auch Apotheker und Chirurg. Sie werden sehen, dass Dr. Griffiths sich beharrlich selbst weitergebildet hat und weitaus mehr Erfahrung hat als manch ein anderer Schiffsarzt in der Navy.«
    »Nun, ich hoffe, Sie sind nicht beleidigt, wenn ich mich dieser Gewohnheit nicht anschließe, Mr Griffiths, denn ich muss Ihnen sagen, dass es – sich nicht gehört.«
    »Oh, ich bin keineswegs beleidigt, Dr. Worthing«, erwiderte Griffiths unbefangen. »Mister ist vollkommen in Ordnung.«
    Hayden hatte den Eindruck, dass der Reverend seine Enttäuschung darüber nicht verbergen konnte, dass seine Kritik so gleichmütig aufgenommen worden war.
    »Und was ist mit dem anderen Doktor, von dem hier die Rede war?«, fuhr Worthing fort. »Ist der etwa auch Schiffsarzt? Ich muss sagen, ich bin erstaunt, dass eine Fregatte zwei Ärzte hat.«
    »Von welchem Doktor sprechen Sie?«, fragte Hayden.
    »Von Dr. Jefferies. So hieß er, glaube ich.«
    Die anderen am Tisch unterdrückten ein Grinsen. Wem dies nicht gelang, der hob rasch sein Weinglas und nahm einen Schluck.
    »Jefferies ist der Schiffskoch, Dr. Worthing. Es ist ein Spaß in der Navy, den Koch mit Doktor anzureden.«
    »Ein merkwürdiger Humor.« Der Geistliche wirkte tatsächlich ein wenig empört darüber, dass jemand das lustig fand. »Die Anreden in der Navy finde ich eigenartig. Gehe ich recht in der Annahme, Kapitän Hayden, dass Sie gar kein richtiger Kapitän sind, sondern den Rang eines Master and Commander bekleiden?«
    »Das ist korrekt, Sir«, erwiderte Hayden.
    »Selbst ein Admiral würde Kapitän Hayden mit Kapitän anreden, Dr. Worthing«, warf Wickham ein. »Er hat das Kommando über ein Schiff und ist daher Kapitän. Sie werden bald erleben, dass Kapitän Hayden eine solche Anrede mehr als verdient hat, denn er ist ein vortrefflicher Seeoffizier.«
    »Dann habe ich daran keinen Zweifel.«
    Hayden merkte, dass der Geistliche aufmerksam und freundlich war, sobald Wickham das Wort ergriff. Denn schließlich lohnte es sich womöglich, den Umgang mit dem Sohn eines Adligen zu pflegen, der vielleicht die ein oder andere Pfründe zu vergeben hatte. Doch nun verfiel der Reverend in Schweigen, da er offenbar spürte, dass niemand am Tisch seiner Ansicht zu sein schien.
    »Mr Gould«, sagte Hawthorne nun, »Sie müssen sich doch auskennen mit studierten Ärzten. Bin ich da richtig unterrichtet, dass gleich zwei Ihrer Brüder Medizin studieren?«
    »Ja, Sir, Mr Hawthorne«, antwortete Gould eifrig und freute sich sichtlich, bemerkt zu werden. »Mein ältester Bruder hat eine Praxis in London eröffnet, und mein zweitältester Bruder studiert noch Medizin.«
    »Und wieso sind Sie nicht dem Beispiel Ihrer Brüder gefolgt, Mr Gould?«, wollte Barthe wissen. »Es ist weiß Gott vernünftiger und einträglicher, Arzt zu werden, als zur See zu fahren.«
    »Eine Zeit lang habe ich auch ernsthaft darüber nachgedacht, Mr Barthe. Ich habe sogar viele Texte meiner Brüder gelesen und ihnen bei ihren Studien geholfen. Die Medizin nimmt einen wirklich gefangen, das können Sie mir glauben, aber wenn ich dann darüber nachdenke, den ganzen Tag über in einer Praxis in London zu sitzen ...« Ein Schauer durchrieselte ihn. »Zwei Ärzte sind mehr als genug in einer Familie, davon bin ich überzeugt.« Jetzt wandte er sich an den älteren Geistlichen. »Dann sind Sie auch studierter Arzt, Dr. Worthing?«
    »Ich habe den Doktor in Theologie gemacht«, antwortete Worthing und schien verblüfft zu sein,

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