Die letzte Eskorte: Roman
gerät. Hoffen wir also, dass ein wagemutiger Franzose einen Nachzügler aufbringt, damit die Mannschaften die Lektion verstehen. Je früher, desto besser für die Moral.«
Hayden hoffte wirklich, dass Pool dies im Spaß meinte, aber weder in der Miene des Mannes noch in seiner Haltung gab es auch nur ein einziges Anzeichen, dass dies nicht sein voller Ernst war.
Pool zeigte auf eine Stelle auf der Seekarte. »Ushant müssen wir weiter umfahren, als mir lieb ist, damit wir nicht zu nah an die französische Küste kommen. Denn Stürme aus Südwest sind zu dieser Jahreszeit nicht ungewöhnlich. Wir alle wissen, wie töricht es ist, einen Konvoi so spät im Jahr zu entsenden, aber wir müssen das Beste daraus machen. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie den Großteil dieser Schiffe möglichst schnell und sicher nach Gibraltar geleiten. Kapitän Stewart wird mit aller gebotenen Härte dafür sorgen, dass die Frachtschiffe in der Formation bleiben und stets ausreichend Segel setzen.« Er warf einen Blick auf Hayden. »Sie haben sich noch nicht zu Ihrer Position geäußert, Hayden, aber ich gehe davon aus, dass Sie die Ihnen zugewiesene Rolle ausfüllen werden. Wenn ein französisches Geschwader auftaucht, müssen Sie sich darauf gefasst machen, sich ihm entgegenzustellen, bis wir Ihnen Hilfe schicken können. Sollten wir Ihnen nicht zu Hilfe eilen können, dann müssen Sie den Feind so lange aufhalten, bis der Konvoi durchkommt. Haben Sie das verstanden? Ihre Crew weiß Bescheid?«
»In jeder Hinsicht, Sir.«
Die anderen Kapitäne tauschten wissende Blicke. Der Crew des »Schwachen Hart« haftete nach wie vor ein ganz bestimmter Ruf an. Daran vermochten auch die jüngsten Erfolge unter Hayden nichts zu ändern.
Der Konvoi bestand aus einunddreißig Frachtschiffen. Geleitschutz boten Pools Vierundsiebziger, Bradleys Syren , eine Fregatte mit sechsundzwanzig Geschützen, sowie vier weitere Schiffe – zwei Schoner, eine bewaffnete Brigg und, zu Haydens Leidwesen, die Kent . Der Kapitän der Kent , ein Leutnant, der gerade zum Master and Commander ernannt worden war, stand Hayden am Tisch gegenüber. Er sah noch so jung und unerfahren aus, er hätte ein Schulkamerad von Arthur Wickham sein können. Gelegentlich huschte ein kleines Lächeln über sein jugendliches Gesicht, um dann sofort wieder von gespielter Ernsthaftigkeit vertrieben zu werden.
Er ist ganz aufgeregt, bei all den älteren Offizieren stehen zu dürfen , dachte Hayden, aber die anderen sind alle erfahrene Seeleute – er spielt mit dem Krieg .
»Wie ich hörte, ist Ihr Schoner ein Flieger, McIntosh?«
»Das ist er, Sir«, erwiderte McIntosh und vermochte seinen Stolz kaum zu verbergen.
»Dann werden Sie meine Signale im Konvoi weiterleiten, wenn das Wetter schlechter wird und die anderen keine klare Sicht mehr haben.«
»Das werde ich tun, Sir.« McIntosh, den Hayden flüchtig kannte, war erst vor Kurzem zum Master and Commander ernannt worden, obwohl er einige Jahre älter war als Hayden und die meiste Zeit seines Lebens auf See verbracht hatte. Für Hayden war es immer wieder eine Überraschung, dass es Offiziere in der Navy Seiner Majestät gab, die über noch weniger Einfluss verfügten als er.
Pool betrachtete die Karte der Biskaya, als könnte er dort die Positionen der Kaperfahrer und französischen Kreuzer ausfindig machen, wenn er nur lange genug auf die Schraffuren und Linien starrte. Scheinbar wie von selbst erhob sich seine rechte Hand und massierte die Schläfe mit kleinen, kreisenden Bewegungen.
»Ich werde die Kent westlich positionieren – wahrscheinlich an der Luvseite. Aber keine Angst, Jones. Obwohl die französischen Kreuzer höchstwahrscheinlich von Luv angreifen würden, rechne ich nur mit kleineren Kaperschiffen, die es dann sicherlich auf Nachzügler abgesehen haben und sich leewärts und hinter dem Konvoi positionieren werden. Kapitän Bradley wird die Leeseite mit der Syren übernehmen.« Er schaute die anderen an. »Tatsächlich wird unser ärgster Feind der Sturm sein. Wenn die Flotte leewärts abdriftet und sich mehrere Schiffe aus der Formation lösen, dann besteht große Gefahr, als Prise zu enden.« Er richtete sich auf und schaute schnell von einem Kapitän zum anderen. Dabei sah er jedem der Anwesenden in die Augen. »Ich habe mich doch klar genug ausgedrückt, wie ich hoffe?«
Pool erntete eifriges Nicken und zustimmendes Gemurmel.
»Hayden, würden Sie noch einen Augenblick bleiben? Ich möchte mit Ihnen
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