Die letzte Eskorte: Roman
gegen die Kirche«, entgegnete Worthing und war derart entrüstet, dass er nach Worten rang, »sondern auch – gegen Gott!«
»Ich verstehe nicht, warum Sie das so empfinden«, erwiderte Smosh gelassen. »Ich kenne einige Herren an Land, die gleich zwei Einkünfte beziehen. Und abgesehen von gelegentlichen Predigten an Sonntagen lassen sie die Hilfspfarrer die Arbeit machen. Ihre kostbare Zeit verbringen die Geistlichen lieber mit der Jagd oder anderen Beschäftigungen dieser Art. Sie werden diese Herren eher auf einem Ball treffen als bei Krankenbesuchen oder in der Kirche. Nein, ich bin eben ehrlich, was meine Gründe für den Eintritt in den Kirchendienst anbelangt. Und an Ehrlichkeit war noch nie etwas Verwerfliches.«
Die Atmosphäre beim Abendessen war nachhaltig vergiftet, doch zum Glück löste sich die Tischgesellschaft ohnehin recht schnell auf. Nachdem die übrigen Gäste sich verabschiedet hatten, blieben nur noch Hawthorne und Griffiths auf ein Glas Portwein bei Hayden.
»Ich denke, dass wir in den kommenden Wochen immer gute Unterhaltung in der Offiziersmesse haben werden«, stellte Hawthorne lakonisch fest. Er schien immer noch so sehr von seinen Eroberungen an Land erfüllt zu sein, dass er über das ganze Gesicht strahlte. Ein selbstzufriedenes Lächeln hatte sich um seine Mundwinkel gegraben.
»Worthing hat sich recht klar ausgedrückt, dass er als Einziger an Bord mit Doktor angeredet werden möchte, nicht wahr?« Griffiths musste lächeln.
»Ich befürchtete schon, unseren guten Doktor der Theologie würde der Schlag treffen, als Smosh damit begann, über die Gründe seines Eintritts in den Kirchendienst zu philosophieren.« Der Leutnant der Seesoldaten lachte. »Und Smosh schien sich gar nicht darüber im Klaren zu sein, dass er den Mann schwer beleidigt hatte. So viel Unbedarftheit möchte ich haben!«
»Das war keineswegs unbedarft«, versicherte Griffiths ihm. »Das war genau kalkuliert und so trocken verpackt, dass man denken sollte, es sei unabsichtlich geschehen. Lassen Sie sich nicht von Smoshs Benehmen täuschen, Mr Hawthorne. Das ist alles sehr genau ausgeklügelt, dessen bin ich mir sicher. Unter der Oberfläche des liebenswerten Tölpels, den Smosh in der Öffentlichkeit spielt, stoßen wir auf einen klugen, wachen Geist. Smosh verbirgt viel vor uns, warum er das tut, weiß ich aber auch nicht.«
»Oh, Doktor, ich schätze, da irren Sie sich. Ein leerer Kopf auf einem fülligen Körper, das trifft wohl eher auf unseren Reverend Mr Smosh zu. Ich möchte behaupten, dass er eine Schwäche für gutes Essen, geistige Getränke und das schwache Geschlecht hat, wenn man sich schon am ersten Abend ein Urteil über seine Neigungen erlauben darf. Haben Sie nicht gehört, wie er sich nach den Frauen erkundigte, die wir womöglich auf unserer Fahrt treffen werden? Da wirkte er bereits sehr aufgeregt.«
»Ach, diese Schwächen finden Sie auch bei allen anderen hier an Bord, aber einen trägen Geist werden Sie ihm nicht attestieren können. Sie werden es schon sehen.« Griffiths erhob sich. »Ich muss mich noch um meine Patienten kümmern. Wenn Sie mich dann entschuldigen würden.«
Griffiths schlüpfte leise zur Tür hinaus, und schon nach den ersten Treppenstufen waren seine Schritte nicht mehr zu hören.
»Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass jeder Mensch an seinen Schritten zu erkennen ist?«, fragte Hawthorne. »Die Art und Weise, wie jemand geht, ist ebenso charakteristisch wie seine Stimme. Es heißt zwar, der Charakter eines Menschen sei an der Beschaffenheit der Hände oder der Form seines Schädels abzulesen, aber ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass man den Charakter an den Schritten ablesen kann.«
»Vielleicht sollten Sie eine Abhandlung darüber schreiben«, schlug Hayden mit einem Lächeln vor.
»Ja, in der Tat, vielleicht sollte ich das tun. Aber wenn ich darüber nachdenke – ist Ihnen nie aufgefallen, dass unser Doktor – oder sollte ich lieber Schiffsarzt sagen – so einen leisen, fast schwebenden Schritt hat? Das kann kein Zufall sein, und es liegt auch nicht an seinem Körper. Ich glaube, es liegt daran, dass der gute Doktor niemanden belästigen will. Nicht einmal mit seinen Schritten möchte er seine Mitmenschen quälen. Und damit will ich nicht sagen, dass er ein Duckmäuser wäre. Nein, wenn es sein muss, hält Griffiths nicht mit seiner Meinung hinterm Berg und widerspricht anderen. Aber er bleibt stets besonnen.«
»Und was ist mit Barthe? Von
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