Die letzte Eskorte: Roman
müssen, in welch hoher Gunst der gute Pfarrer bei Lord Hood steht.« Griffiths schüttelte lächelnd den Kopf. »Der Mann kann an Land kaum seinen Lebensunterhalt bestreiten, erwartet aber, dass wir glauben, eine so herausragende Persönlichkeit wie Lord Hood nähme überhaupt Notiz von ihm. Angesichts eines so liebenswürdigen Wesens und der Gunstbezeigung von so hoher Stelle nimmt es wunder, dass er nicht Bischof geworden ist. O Herr!«
Hayden lachte. Das Schiff krängte heftig leewärts. Hayden hielt die Weinflasche und das Salzfässchen fest, während Griffiths sich um die Sauciere kümmerte. Eine Gabel rutschte weg und glitt scheppernd über den Fußboden.
»Wir haben zu viele Segel gesetzt«, bemerkte Hayden und stand auf. Im selben Augenblick aber hörte er ein Kommando an die Seeleute. »Ah, offenbar hat Barthe das Deck übernommen.« Damit kehrte er zu seinem Stuhl zurück.
Griffiths nahm einen Schluck von seinem Bordeaux. »Wie ich höre, ist unser Franzose ein Royalist?«
»Über welchen Franzosen sprechen wir?«
»Über den Koch. Oder sollte ich chef de cuisine sagen?«
»Rosseau. An Bord unseres Schiffes wird er kaum behaupten, ein Jakobiner zu sein, oder?«
»Nein. Aber Wickham teilte mir mit, dass der Mann gerade erst erfahren hatte, dass die Königin durch die Guillotine hingerichtet worden ist – wenn man dem Glauben schenken kann. Wickham behauptet, dass der Franzose wie ein kleines Kind geweint hat. Offenbar hat Rosseau Wickham erzählt, er habe einmal bei einer Adelsfamilie in Diensten gestanden und ein Mahl zubereitet, bei dem Louis und seine Gemahlin zugegen gewesen wären.«
»Ich halte das durchaus für möglich. Ein Mann mit solchen Talenten ist sicher kaum bei einem Schuhmacher Koch gewesen.«
»Wenn man bedenkt, was die Franzosen über die englischen kulinarischen Fähigkeiten sagen, darf man annehmen, dass der Koch eines französischen Schuhmachers für den König von England geeignet wäre.«
»Eigentlich, Doktor, wäre nach dem Urteil der Franzosen sogar ein französischer Schuhmacher geeignet, für einen englischen König zu kochen.«
Griffiths lachte. »Er hätte sicher einige ausgezeichnete Rezepte für Seezungen und andere Zungen seines Handwerks!«
Seit Hawthorne ihm erzählt hatte, dass Griffiths enttäuschte Hoffnungen erlebt hatte, war Hayden immer unter dem Eindruck gewesen, der Doktor sei melancholischer als sonst. Sein Lachen schien gezwungen, und seine Scherze waren bloße Formalitäten ohne innere Beteiligung. Andererseits hatte Hayden den Doktor vor dessen enttäuschender Erfahrung noch nicht gekannt. Vielleicht war er schon immer so. Oder Hayden legte mehr in Griffiths’ Verhalten hinein, als vernünftigerweise anzunehmen war. Es war zwei Jahre her, dass Griffiths’ Werben abgelehnt wurde. Vielleicht hatte er die Vergangenheit einfach aus seinem Sinn verbannt und schaute nun nur nach vorn.
»Hoffentlich überleben wir es, dass wir diesen Mann an Bord haben«, sagte Griffiths, und er klang plötzlich sehr ernst. »Worthing, meine ich.«
»Er ist störrisch, daran gibt es keinen Zweifel, aber ich glaube kaum, dass er für die Schiffsbesatzung eine Gefahr darstellt. Keiner mag ihn.«
»Das stimmt, aber ich würde die Schwierigkeiten nicht unterschätzen, die ein solcher Mann verursachen kann. Leute seines Schlages haben ein großes Potenzial, Konflikte heraufzubeschwören. Ich habe das schon erlebt. So einer ist nicht glücklich, wenn er nicht in den Emotionen anderer rührt, einen gegen den anderen aufhetzt und sich beleidigt fühlt, wo gar keine Beleidigung beabsichtigt ist oder worin ein Mensch mit einem besonneneren Wesen gar keine Beleidigung sieht. Nein, er wird uns Schwierigkeiten machen, Sie werden sehen. Er hat ja schon versucht, Ihre Autorität zu untergraben, indem er zu Saint-Denis ging, nachdem Sie ihm den Besuch im Lazarett untersagt hatten. Er und Ihr Erster Leutnant könnten sich verbünden, da Worthing ausgesprochen devot zu denen aufblickt, die gesellschaftlich über ihm stehen. Womöglich haben er wie auch Saint-Denis das Gefühl, dass man ihren Wert nicht erkennt. Ich will aber jetzt nichts mehr dazu sagen und hoffe, dass sich meine Einschätzung als falsch erweist.«
»In dieser besonderen Angelegenheit, Dr. Griffiths, hoffe ich das auch.«
»Ich habe gehört, dass wir bei Morgendämmerung eine Prise aufbringen wollen.«
»Nein. Wir sollen zwar die Aktion beobachten und vielleicht auch bewundern, aber wir werden nicht daran beteiligt
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