Die letzte Eskorte: Roman
wünschte, ich wüsste es, Mr Hawthorne, aber jetzt bereue ich es, vergangene Nacht nicht gründlicher die dunkle Wolkenfront abgesucht zu haben.« Hayden erhob sich und griff nach seinem Hut.
Nach wie vor hatte er Schmerzen von dem Sturz an Deck. Seine Ohren klingelten – ein hohes, unnachgiebiges Sirren – und sobald er länger saß, verspürte er eine Steifheit im Kreuz. Beim Gehen wurden die Beschwerden erträglicher.
Der Wind drehte auf Südwest, als Hayden an Deck stieg. Die stahlgraue See war von Gischtkronen übersät. Saint-Denis hatte derweil Vorbereitungen für den Sturm getroffen. Die Bramstengen wurden gestrichen, die Rahen heruntergelassen.
»Saint-Denis? Haben Sie sämtliche Brooktaue an den Geschützen gesichert?«
»Archer kümmert sich um das Batteriedeck, Kapitän«, rief der Leutnant über den Lärm hinweg. »Das Wetterglas ist gefallen wie der Unterrock einer Hu ... – Verzeihung, Sir. Das Wetterglas ist deutlich gefallen.«
»Ja, uns steht einiges bevor, fürchte ich.« Hayden ließ den Blick über die aufgewühlte See schweifen. Alle Schiffe in Sichtweite beeilten sich, die Segel zu bergen. Rahen wurden gesenkt und sämtliche Vorbereitungen für schlechtes Wetter getroffen.
McIntoshs Schoner hatte inzwischen die Agnus erreicht, und Hayden sah, wie das Beiboot der Themis durch die Wellenkämme hindurch zu dem Frachtschiff gerudert wurde. Derweil reffte McIntoshs Crew die Segel und machte sich dann auf die Suche nach dem vermissten Frachter, eine Aufgabe, die bei diesem Wetterumschwung umso schwieriger, wenn nicht gar unmöglich wurde.
»Eine verdammt törichte Idee, einen Konvoi so spät im Jahr loszuschicken«, sagte Barthe, als er zu Hayden und Saint-Denis auf das Quarterdeck trat. Der Master sah blass aus, und eine rote Haarsträhne, die sich aus dem Zopf gelöst hatte, klebte ihm feucht auf der Stirn.
Hayden antwortete darauf nicht direkt und beließ es bei einem Nicken. Er beobachtete nämlich die Schiffe des Konvois durch sein Fernrohr und war erschrocken, wie langsam die Besatzungen die erforderlichen Vorbereitungen in Angriff nahmen.
»Mr Hayden. Kapitän, meine ich.« Es war Archer, der immer noch Schwierigkeiten zu haben schien, Hayden angemessen anzusprechen.
»Mr Archer?«
Der Zweite Leutnant wirkte aufgerüttelt, seine übliche Verschlafenheit schien wie weggeblasen. »Ich habe eben Hale zu Ariss nach unten geschickt. Ich hatte den Eindruck, dass er von Fieber geschüttelt wird, doch er behauptet, es sei alles in Ordnung.«
»Der Faulenzer?« Barthe klang erstaunt. »Der will sich doch sonst auf die Krankenliste setzen lassen, wenn ihm gerade mal die Nase läuft.«
Hayden ließ das Glas sinken und wandte sich Archer zu, der nachdenklich aussah, geradezu grüblerisch.
»Was sagt Mr Ariss?«
»Dass er hofft, Dr. Griffiths ist bald wieder an Bord.«
»Leutnant«, sagte Hayden zu Saint-Denis. »Lassen Sie einen Mann die Agnus beobachten. Ich fürchte, die See wird bald zu hoch für unser Beiboot sein, und McIntosh kehrt womöglich nicht vor Einbruch der Dunkelheit zurück. Wenn also der Doktor an Deck erscheint, lassen Sie signalisieren, dass wir ihn mit der Themis abholen.«
»Aye, Sir.« Saint-Denis rief unverzüglich nach einem Mann und einem Fernrohr. Nicht zum ersten Mal musste Hayden zugeben, dass der Erste Leutnant – trotz all seiner Fehler – einen recht passablen Seemann und Offizier abgab.
Aus dem Niedergang an Achtern kam nun Ariss an Deck, schaute sich schnell um, entdeckte Hayden und eilte zu ihm. Ariss’ Miene war düster, der Kiefer verspannt. Zwischen den Augenbrauen hatte sich eine tiefe Kerbe gegraben.
»Wie steht es um Hale?«, erkundigte Hayden sich.
»Deswegen komme ich zu Ihnen, Sir.« Er schaute in die Gesichter der Umstehenden und verstummte.
»Sie entschuldigen uns, Mr Barthe«, sagte Hayden und gab Ariss zu verstehen, ihm weiter zur Reling zu folgen.
Kaum dort angekommen, senkte der Gehilfe des Doktors die Stimme. »Sie warten sicher auf Dr. Griffiths’ Meinung, aber ich fürchte, der Mann leidet an demselben Fieber wie der Mann von der Agnus – McKee – so erscheint es mir jedenfalls.« Jetzt flüsterte er sogar fast. »Und Pritchard, der mit einem gebrochenen Oberschenkel im Lazarett liegt, zeigt auch schon dieselben Symptome – hohes Fieber, Schweißausbrüche, Gelenkschmerzen. Das Atmen fällt ihm schwer, und wenn er hustet, wirft er eine rosafarbene Flüssigkeit aus, Sir.«
Hayden versuchte, sich seinen Schrecken nicht
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