Die letzte Eskorte: Roman
Krankheit es sich handelt?«, fragte er und bemühte sich, möglichst abgeklärt zu klingen, obwohl die Nachricht ihn zutiefst beunruhigte.
Griffiths antwortete nicht sofort, sondern schaute nachdenklich zur Decke, als ginge er im Kopf eine Liste mit Symptomen durch. »Es ist schon sehr eigenartig«, setzte er an. »Es scheint sich um eine Grippe zu handeln, allerdings habe ich nie eine so – ansteckende gesehen. McKee inbegriffen, sind vier Seeleute im besten Alter gestorben, und so greift keine Grippe um sich, von der ich Kenntnis habe. In Portugal nahm die Agnus zwei Mann an Bord, da sie zu wenig Besatzungsmitglieder hatte. Einer der beiden zählt inzwischen zu den Toten. Wie es scheint, hatten diese beiden Männer, obwohl sie Briten waren, Hals über Kopf ein amerikanisches Kauffahrteischiff verlassen. Unwissentlich hatte der Amerikaner das Fieber aus Virginia mitgebracht, und die beiden Männer fürchteten um ihr Leben, stahlen sich nachts zur Küste und heuerten bei dem erstbesten Schiff an, das vorbeikam – das war die Agnus . Längst waren sie wieder in Portsmouth, und obwohl einer der beiden krank wurde, litt er nicht so stark wie die Männer auf dem amerikanischen Schiff. Offenbar glaubten sie, sie hätten es überstanden, doch dann wurde der zweite Mann krank, kurz bevor sie sich dem Konvoi in Torbay anschlossen. Doch selbst da informierten sie niemanden. Schließlich starb einer der beiden, und so breitete sich die Krankheit auf dem Schiff aus. Der Überlebende vertraute sich mir an und berichtete, in Virginia seien zuerst die Pferde erkrankt, dann erst die Stallburschen und die Kutscher.« Griffiths drückte mit Daumen und Zeigefinger auf seine Nasenwurzel und schloss die Augen. Die vergangene Nacht hatte er nur wenig geschlafen, wie Hayden vermutete, und wirkte schon den ganzen Tag über erschöpft.
»Und jetzt haben wir uns die Krankheit an Bord geholt – aus einem Akt der Wohltätigkeit heraus«, sagte Hayden leise.
Aufgeregt schritt Griffiths zu einem Fenster der Heckgalerie. »Ja, ich muss die Schuld auf mich nehmen. Ich sah sofort, dass McKee an Fieber litt, als er an Bord kam, aber ich dachte, das Fieber sei die Folge seiner Verletzung. Fäulnis war meine Sorge, nicht Grippe, und selbst wenn ich mit Influenza gerechnet hätte, wäre ich nicht sonderlich beunruhigt gewesen, da ein gesunder Mann normalerweise daran nicht stirbt. Die Kranken, die Alten, die Schwindsüchtigen – die sind stets die ersten Opfer.« Der Schiffsarzt blieb nun stehen, sah Hayden an und machte keinen Hehl aus seiner Besorgnis. »Ich habe einen schrecklichen Fehler gemacht, Mr Hayden.«
»Nein. Ich bin sicher, dass jeder Schiffsarzt so gehandelt hätte. Wenn diese elenden Narren doch nur den Verstand besessen hätten, den Master der Agnus zu informieren. Wie sind sie denn überhaupt von Bord des amerikanischen Schiffes gekommen? Stand es nicht unter Quarantäne?«
»Ich weiß es nicht, Kapitän«, gab Griffiths zu. »Ich werde die Crew untersuchen müssen, einen nach dem anderen. Ich sehe keine andere Möglichkeit. Die Kranken müssen unverzüglich von den Gesunden getrennt werden.«
»Haben Sie keine Angst, dass Sie sich an Bord der Agnus das Fieber zugezogen haben?«
»Wir waren nur kurz an Bord. Viel wahrscheinlicher ist es, dass ich mich bei McKee angesteckt habe. Aber was bleibt uns anderes übrig? Nun wird keiner mehr aus freien Stücken zu mir kommen, seitdem Worthing – verflucht sei er – ins Lazarett kam und der Mann, den er aufsuchte, gestorben ist.«
»Da haben Sie leider recht. Ich werde Archer beauftragen, die Männer in Augenschein zu nehmen, eine Backschaft nach der anderen. Auf diese Weise breitet sich auch die Pest aus – von einer Backschaft zur anderen. Wir werden ein Quarantänedeck für diejenigen einrichten, die engen Kontakt mit den Kranken hatten. Sobald dies geschehen ist, zimmert Chettle Ihnen das Lazarett so groß, wie Sie es brauchen.«
Griffiths nickte. »Mr Ariss und ich hängen unsere Matten im Verbandsplatz auf und nehmen auch dort unsere Mahlzeiten ein – vorerst.«
Hayden schauderte bei dem Gedanken, mit den Kranken auf einem Schiff zu sein, aber der Doktor hatte recht: Er und sein Gehilfe würden wahrscheinlich die Krankheit verbreiten, mussten sich daher also von den Gesunden fernhalten.
»Hatten die Leute von der Agnus Kontakt zu den Männern auf den anderen Schiffen?«, erkundigte er sich und war sichtlich gerührt von Griffiths’ Mut. Hayden hätte lieber ein
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