Die letzte Eskorte: Roman
fasste Mr Barthe die Situation nüchtern zusammen. »Hoffen wir, dass es nicht noch ein drittes gibt.«
»Laufen Sie zum Bugspriet, Mr Wickham«, trieb Hayden den Midshipman an, »und versuchen Sie, die Schiffe exakter auszumachen.«
»Aye, Sir.«
Wickham lief zusammen mit Madison aufs Vordeck. Ein Windstoß aus Nord brachte Regen mit, worauf die Lichter im Trüben verschwammen. Dann flaute der Wind wieder ab und strich flüsternd durchs Rigg. Kurz darauf tauchten die Lichter des Schiffes erneut auf und verliehen den Segeln einen rötlichen Schimmer. Die Umrisse der Takelage waren zu erahnen.
Eilige Schritte auf dem Laufsteg kündigten Madisons Rückkehr an.
»Kapitän Hayden«, wisperte er mit Nachdruck. »Mr Wickham glaubt, dass das ein Linienschiff vor unserem Bug ist. Mindestens ein Vierundsiebziger, Sir, vielleicht größer.«
»Haben wir denn nie Glück?«, kam es verzweifelt von Barthe.
Die Offiziere auf dem Quarterdeck schwiegen jetzt alle, doch Hayden spürte die Besorgnis seiner Männer. Er war selbst damit beschäftigt, seine Panik in den Griff zu bekommen. Einen Moment lang war sein Kopf leer, und mit Schrecken fragte Hayden sich, ob er sich nicht womöglich auf verhängnisvolle Weise verschätzt hatte. Doch schließlich fasste er sich wieder und ordnete seine Gedanken neu.
»Wie weit entfernt?«, erkundigte er sich und hatte einen ganz trockenen Mund.
»Sehr schwer in der Dunkelheit abzuschätzen, Sir, aber Mr Wickham glaubt, dass das Schiff nicht weiter als eine Meile entfernt sein kann.«
Hayden nahm sein Nachtglas zur Hand und richtete es auf das Schiff, das in ihrem Kielwasser fuhr. »Nun, das ist kein Vierundsiebziger. Es ist allerhöchstens eine Fregatte, und wahrscheinlich genau die, auf die Bradley stieß, ehe wir sie verjagen konnten. Ist Kapitän Cole irgendwo zu sehen?«
Fieberhaft suchten die Offiziere das Wasser ab, aber niemand entdeckte den britischen Sechsundzwanziger.
»Mr Archer«, setzte Hayden an und war darauf bedacht, seiner Stimme wieder den nüchternen Ton des Kommandanten zu verleihen, »sind unsere roten Lichter bereit?«
»Gewiss, Sir«, antwortete der Erste Offizier mit bewundernswerter Ruhe.
»Beauftragen Sie jemanden, sie zu holen.«
»Wie viele benötigen wir, Kapitän?«
»Mindestens zwei. Ein Dutzend wäre ideal.«
»Aye, Sir.«
»Mr Hayden«, wisperte der Master nun und trat näher. »Ich weiß nicht, ob wir viel ausrichten können. Wenn der Kommandant dieses Schiffes merkt, dass er es nur mit zwei Fregatten zu tun hat – dann sind wir geliefert.«
Hayden durfte nicht zulassen, dass seine Offiziere die Nerven verloren, und antwortete dem Master genauso leise. »Mr Barthe, achten Sie auf Ihre Wortwahl, Sir.« Dann wandte er sich ein wenig lauter auch an die anderen. »Wir haben nur eine Möglichkeit. Löscht alle Lichter, in der Takelage und an Deck. Mr Barthe, die Schoten wegfieren. Soll die Fregatte uns ruhig überholen. Laden Sie die Geschütze mit Kartätschen, und sobald uns die Wellen nach steuerbord heben, feuern wir auf die Lichter im Rigg. Wenn es uns gelingt, ihre Lampen zu zerstören und die Takelage so zu beschädigen, dass sie langsamer läuft, dann bringen wir die Themis zwischen die Fregatte und das größere Schiff. Mit roten Lichtern in der Takelage setzen wir dann dem zweiten Franzosen nach. Sobald wir nah genug heran sind, werde ich das Schiff anrufen und es hoffentlich lange genug verwirren, damit wir am Heck vorbeisegeln können und unsere Geschütze auf das Ruder abfeuern. Nach der Wende versuchen wir das Manöver ein zweites Mal.«
»Und das wollen Sie mit diesen Geschützmannschaften versuchen, Mr Hayden?«, gab Barthe zu bedenken. »Die Hälfte der Männer sind Landratten.«
»Die Geschützführer sind allesamt erfahrene Kanoniere, Mr Barthe.« Hayden merkte, dass sich unweigerlich eine leichte Verzweiflung und auch Verdrießlichkeit in seine Stimme schlich. »Wenn wir das Ruder so beschädigen, dass das Steuerrad nichts mehr ausrichten kann, wird sie keinen Hafen mehr anlaufen können, es sei denn, sie wird ins Schlepptau genommen. Und dann könnten wir entkommen.«
»Was ist mit Cole, Sir?«, fragte Archer. »Nicht auszudenken, wenn er uns mit einem Franzosen verwechselt oder schlimmer gar in der Dunkelheit mit uns kollidiert.«
Hayden blickte hinaus in die Nacht. Wo, zum Teufel, war Cole? »Kapitän Cole müsste dort draußen an Steuerbord sein und wird auf genügend Abstand achten. Vertrauen wir auf unsere wachsamen
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