Die letzte Eskorte: Roman
und wartete auf die feindlichen Fregatten – so hoffte Hayden zumindest.
»Wir werden jedenfalls in der Lage sein, unsere Stückpforten zu öffnen«, bemerkte Hawthorne.
»Unser Feind aber auch, Mr Hawthorne«, schalt Barthe ihn milde.
»Das wäre ja auch sonst unfair«, erwiderte der Leutnant der Seesoldaten mit einem schalkhaften Unterton.
Die Männer quittierten den Scherz mit einem leisen Lachen. Hawthorne war bekannt für seinen Esprit in angespannten Situationen, und oft wurden seine geistreichen Bemerkungen in der Offiziersmesse am Tisch zitiert. Hayden glaubte, dass der Leutnant wieder einmal seinem Ruf gerecht werden musste.
Hayden machte einen schnellen Rundgang an Deck und sprach gedämpft zu den Männern, die still neben den Geschützen auf dem Quarterdeck ausharrten. Als er über den Laufsteg ging, hörte er eine leise Stimme vom Vordeck und war schon im Begriff, den Mann zu ermahnen, erkannte dann aber, dass es sich um Mr Smosh handelte.
»Ah, Kapitän Hayden«, sagte der Pfarrer, als er sein Gegenüber in der Dunkelheit erkannte. »Ich habe den Männern nur gerade versichert, dass eine Influenza schnell wieder abflaut. Das habe ich schon einmal erlebt. In ein paar Tagen sind wir diese Geißel los. Ist es nicht so?«
»Sie haben recht, eine Grippe befällt ein Schiff nicht so hartnäckig wie das Gelbfieber. In ein paar Tagen könnte es vorbei sein, wie Sie schon richtig bemerkten. Spätestens wenn wir in Gibraltar einlaufen, müssten wir die Grippe los sein.« Hayden machte eine kleine einladende Handbewegung, die der Pfarrer womöglich in der Dunkelheit gar nicht wahrnahm. »Mr Smosh, hätten Sie die Güte, mich zu begleiten? Ich bräuchte da Ihren Rat in einer Angelegenheit.«
»Aber gern, Kapitän.« Smosh verabschiedete sich gnädig von seiner Herde und ging neben Hayden her.
Als sie auf der Gangway und außer Hörweite vom Vordeck waren, ergriff Hayden das Wort. »Mr Smosh, ich weiß zwar Ihren Wunsch zu schätzen, der Crew in diesen schweren Stunden Trost zuzusprechen, aber es ist bei uns Sitte, an Deck Stille zu bewahren, damit sich die Offiziere im Ernstfall Gehör verschaffen können.«
»Bitte aufrichtig um Verzeihung, Kapitän. Ich bin mit den Gepflogenheiten der Navy tatsächlich nicht vertraut, wie Sie ja sehen.«
»Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Ihre Bemühungen sind mir eine große Hilfe, aber wir stehen unmittelbar vor einem Gefecht, so hoffe ich zumindest. Und da ist Ruhe an Deck die oberste Regel.«
»In Zukunft werde ich mich gehorsamst an diese Regel halten.«
Hayden war im Begriff, sich von dem Geistlichen zu verabschieden, als Smosh sagte: »Verzeihen Sie, Kapitän, ich hätte da eine Bitte.«
Begriff dieser Mann nicht, dass jetzt nicht die Zeit war, Gästen an Bord einen Gefallen zu erweisen?
Hayden bemühte sich, in ruhigem Ton zu antworten. »Nur zu, Mr Smosh.«
»Ich glaube, dass Mr Ariss und der junge Gould nicht all diese Kranken allein versorgen können – ich habe mich mit den Männern unterhalten, Sir, und nach längerer Diskussion haben sie mir zu verstehen gegeben, dass es für sie akzeptabel wäre, wenn ich Mr Ariss in dieser Not zur Seite stehe. Selbstverständlich unter der Bedingung, dass ich mein Kollar ablege und mich von meinen geistlichen Pflichten löse.«
Hayden war basserstaunt und verspürte sogleich ein Gefühl der Reue, dass er diesen Mann auch nur für einen Moment als Ärgernis empfunden hatte.
»Ich vermag nicht zu sagen, wie sehr ich Ihr großzügiges Angebot zu schätzen weiß, Mr Smosh, aber ich befürchte, dass die Männer keinen Geistlichen im Quarantäneverschlag dulden werden.«
»Vergeben Sie mir, Kapitän. Ich bat Mr Madison, sich in der Mannschaft umzuhören. Sehen Sie es mir nach, aber wie es scheint, sind die Männer bereit, mich ins Quarantänedeck zu lassen, solange ich mich in den Dienst der Heilkunst stelle. Stimmt es nicht, dass hin und wieder Pfarrer während eines Gefechts in den Verbandsplätzen aushelfen? Ist das nicht manchmal so auf Kriegsschiffen?«
»In der Tat, es kommt vor, aber ...« Hayden wusste nicht recht, welches Argument er eigentlich noch vorbringen könnte. »Würden Sie mich kurz mit Mr Madison sprechen lassen?«
»Aber gern. Ich danke Ihnen, Kapitän.«
Als Hayden dann aufs Quarterdeck zurückkehrte, löste sich eine dunkel umrissene Gestalt aus einer der Luken und zog sich mühsam an Deck.
»Mr Ariss?«, fragte Hayden vorsichtig.
»Ja, Sir, Kapitän«, antwortete der Mann, kam
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