Die letzte Eskorte: Roman
wandte sich zur See, beschattete die Augen mit einer Hand und blickte nach achtern, doch der Regen raubte ihm die Sicht. Kopfschüttelnd wandte er sich wieder ab.
Die Fregatte näherte sich nun dem größeren Schiff, das bei dem zu erwartenden Gefecht die Segel reduziert hatte.
»Mr Archer«, sprach Hayden so leise mit dem Leutnant, dass kein anderer etwas verstehen konnte. »Ich werde aufs Vordeck gehen und dieses Schiff auf Französisch anrufen. Sie sind dafür verantwortlich, dafür zu sorgen, dass der Steuermann uns am Heck des Franzosen vorbeibringt.«
»Aye, Sir.«
»Mr Barthe? Ist alles klar zur Wende?«
»Alle Männer sind auf ihren Posten, Kapitän. Mr Franks hat die Order, für Ruhe an Deck zu sorgen.«
»Sie finden mich auf dem Vordeck.«
Hayden tastete sich bei schwankendem Deck an der Reling entlang. Unaufhörlich prasselte der Regen auf die Planken, und der Wind blähte das Ölzeug wie ein steifes Segel.
Hayden hatte kaum die Gangway verlassen, als die Luft zu seiner Rechten explodierte. Er stürzte schwer auf den rutschigen Planken, zog sich aber augenblicklich wieder auf die Beine.
Um ihn herum rappelten sich die Männer fluchend wieder hoch.
»Verfluchte Franzmänner«, grollte jemand.
»Sollen wir das Feuer erwidern?«, fragte einer der Geschützführer.
»Nur wenn Sie Engländer töten wollen. Das waren Zwölfpfünder.«
Hayden ging zur Steuerbordreling und rief auf Französisch: »Cole, Sie englischer Bastard! Sie würden auf Ihre eigenen Brüder feuern!«
Er hoffte, dass man ihn auf dem französischen Schiff nicht verstehen würde, und falls doch, so würde der Feind vielleicht nur französische Wortfetzen auffangen.
Zwei weitere Geschütze donnerten, eins nach dem anderen, dann herrschte Stille.
»Haben die begriffen, dass wir es sind?«, wollte Madison wissen.
»Hoffen wir, dass einer dort drüben Französisch kann.« Hayden wandte sich ab und musste daran denken, dass er vor kaum drei Tagen damit gedroht hatte, auf Coles Schiff feuern zu lassen.
Während er zum Vordeck eilte, beschäftigte ihn die Frage, ob sein Schiff jeden Moment eine zweite Breitseite erhalten würde. Nur mit Mühe konnte er die schwankenden Leuchtfeuer des französischen Zweideckers erkennen, die durch den Regen hindurch ab und an zwischen den Segeln zum Vorschein kamen. Es war ihm aber nicht möglich, die Entfernung zu dem Franzosen abzuschätzen.
Für einen kurzen Moment nahmen die Regenschleier ab, sodass das gejagte Schiff nah zu sein schien. Doch dann fegte der Wind wieder über das Deck und entzog den Feind wie von Geisterhand Haydens Blicken.
»Mr Madison, auf mein Zeichen hin laufen Sie nach achtern und geben dem Steuermann Order, das Ruder nach steuerbord zu drehen. Haben Sie verstanden?«
»Aye, Sir.«
Als das Schiff krängte, lief eine Mischung aus Seewasser und Regen über das Deck, umspülte Haydens Füße und drang durch das Leder seiner Stiefel. Der Wind spielte in den Spieren und Wanten, und der sturmgepeitschte Regen, der ins Meer fiel, hörte sich an wie Glasperlen auf Schotter. Dieses Rauschen hielt einen Moment lang an, ließ etwas nach und kehrte dann mit derselben Intensität zurück.
Die Männer um ihn herum standen mit hochgezogenen Schultern da, weil ihnen der Regen in den Kragen lief. Als die Sicht mit einem Mal wieder etwas klarer wurde, erschrak Hayden beinahe. Aus dem Dunst tauchte der Franzose auf, riesig und Furcht einflößend.
»Laufen Sie zum Steuermann!«, rief Hayden seinem Midshipman über den Wind zu.
Keine fünfundzwanzig Yards vor ihnen ragte das Heck des Zweideckers auf. Deutlich konnte Hayden die Umrisse der Männer an der Heckreling sehen. Bei diesen Wetterverhältnissen durfte man sich nicht darauf verlassen, dass man gehört wurde, doch Hayden führte die Hände wie einen Trichter an den Mund und rief auf Französisch: » Dort ist eine englische Fregatte in der Dunkelheit, die keine Lichter gesetzt hat! « Doch diesmal wirkte die Täuschung nicht. Er sah, wie die Offiziere in Richtung der Themis zeigten – wahrscheinlich auf die Bugpforte der Wantenpaare oder die Galionsfigur. Ein Heckgeschütz donnerte mit Flamme und Rauch und feuerte eine Kugel über die Köpfe hinweg ins Rigg – zum Glück ohne Wirkung.
»Bereit machen zum Feuern«, sagte Hayden auf Englisch. Er spürte, wie die Themis nach backbord driftete, denn die Wellen aus dem Norden drängten sie in diese Richtung. Hayden griff nach dem Schanzkleid, um nicht über das Deck zu rutschen. Eine
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