Die letzte Eskorte: Roman
nur noch Yards in der Dunkelheit entfernt war, riefen Männer – in englischer Sprache.
»Das ist Cole, Sir!«, rief Barthe, der sich erstaunt zu Hayden umdrehte.
Beide britischen Fregatten stiegen mit derselben Wellenfront und hielten Kurs: Während die Themis nach Steuerbord gierte, lief die Syren hart geradeaus. Der französische Vierundsiebziger schlingerte einen Augenblick lang in einem Wellental, und während die Themis weiter nach steuerbord ging, konnte Hayden von seiner Position aus beobachten, wie der Klüverbaum der Syren zunächst die Heckgalerie des Franzosen zertrümmerte, bis sich der Bug der Fregatte unter einem gewaltigen Aufprall in das Heck des Feindes bohrte. Mit dumpf knackenden und knirschenden Lauten barst das Holz.
Die beiden Schiffe steckten fest, und unter ihnen wogte die See, drückte sie nach oben und riss sie schließlich auseinander. Obwohl der Franzose abrupt nach backbord gierte, konnte der Feind seine Breitseite nicht mehr einsetzen.
»Der Franzose ist aufgerissen ...«, entfuhr es Barthe atemlos.
»Und die Syren neigt sich am Bug.«
Hayden machte kehrt und lief nach achtern über das schwankende Deck. »Mr Archer! Die Boote abfieren. Sie haben das Kommando über das Schiff. Bringen Sie uns so nahe an die Syren , wie Sie können, aber geben Sie acht, dass die Spiere uns bei diesem Seegang nicht treffen.« Hayden blieb auf der Gangway stehen und rief hinunter ins Batteriedeck. »Ich brauche vierundzwanzig Mann für die Boote, Mr Wickham. Nein, achtundzwanzig. Ich werde auch die Jolle nehmen. Wir müssen zweihundert Mann retten, das heißt, dass wir nur wenig Rudergasten mitnehmen können. Sie haben das Kommando über ein Beiboot. Madison übernimmt das andere. Hobson in die Barkasse. Childers übernimmt die Jolle. Mr Hawthorne! Zwei bewaffnete Seesoldaten in jedes Boot, einer begleitet Childers. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Männer in ihrer Panik die Boote überrennen.«
Rasch wurden die Boote längsseits abgefiert, die eilends ausgewählten Rudergasten kletterten die schaukelnde Jakobsleiter hinunter. Hayden nahm in dem größten Boot Platz, in der Barkasse, und griff selbst nach der Ruderpinne.
»Boote los!«
»Pullt, Männer!«, rief Hayden über den Wind, »die Syren neigt sich am Bug und wird nicht mehr lange schwimmen. Wir müssen zweihundert Seelen in diesem verfluchten Sturm retten. Sollen die Männer ruhig sagen, dass wir uns den Rücken gebrochen haben, aber verloren haben wir keinen Mann! Pullt!«
Die Boote tanzten auf der aufgewühlten See, die dunklen Umrisse der Syren waren nicht allzu weit entfernt zu erkennen, aber das Schiff lag luvwärts. Obwohl der Regen auf die Boote prasselte, tauchte der Mond hier und da zwischen den zerrissenen Wolkengebilden auf und spendete sein kühles, silbernes Licht in einer Welt aus Dunkelheit. Die Syren sank zweifellos. Hayden konnte die flatternden Segel sehen, als das Schiff orientierungslos in den Wind ging. Eine Steuerfahrt war nicht mehr möglich. Die Syren würde schneller untergehen, als Hayden es für möglich gehalten hatte.
»Gütiger Gott, Sir«, rief einer der Rudergasten, »ist das da der Franzmann?«
Hayden warf einen Blick über die Schulter. In einer Lache aus silbrigem Mondlicht war der französische Zweidecker zu erkennen. Das Heck lag zu tief im Wasser, der Bug stieß viel zu steil gen Himmel, die Spiere standen in einem seltsamen Winkel ab. Sie war langsam nach steuerbord gerollt, und die im Rigg wimmelnden Ameisen waren die Männer, die krampfhaft versuchten, über der winterkalten See zu bleiben. Einen Moment lang vermochte Hayden nicht den Blick von dieser Szene zu wenden, die so albtraumartig und so entsetzlich war. Doch schließlich wandte er sich wieder seiner Aufgabe zu, denn es galt, die Landsleute seines Vaters zu retten. Doch die Männer aus dem Volk seiner Mutter würden bis auf wenige Ausnahmen ihr nasses Grab finden.
Die Strecke zur Syren kam ihnen lang vor. Hayden hatte bewusst auf die volle Besatzung in den Booten verzichtet, um möglichst viele Männer aufnehmen zu können, aber gegen den Wind hatte er jetzt natürlich zu wenig Leute, die sich in die Riemen legten. Er fragte sich, was ihn bei der Syren erwartete. Eine heillose Panik oder geordnete Verzweiflung? Im Verlauf seiner kurzen Karriere in der Navy hatte er bereits beides gesehen. Gute Offiziere konnten an Deck für Ordnung sorgen und dadurch das Leben der Männer retten. Doch da die Syren ihren Kapitän verloren hatte und
Weitere Kostenlose Bücher