Die letzte Expedition
Gefahren, doch unsere Raumschiffe sind allesamt sehr, sehr sicher, das kannst du mir glauben, und es besteht nicht der geringste Grund, meine liebe Ensira, sich deswegen Sorgen zu machen! – Also, Jungs, nehmt es eurer Mutter nicht so übel. Mütter tun immer so, als wäre jeder Abschied der Letzte!“
Hatte da Ensira etwa eine eigenartige Vorahnung, dass sie ihre beiden Söhne niemals wiedersehen würde und ihnen deshalb noch einmal solch ein prachtvolles Abendessen bereitete? Ältere Cromatiner, vor allem weibliche, besaßen vereinzelt, aber in letzter Zeit schon häufiger, die Fähigkeit, die nähere Zukunft unbewusst vorauszuahnen oder sogar zu kennen und richteten daraufhin alle ihre weiteren Tätigkeiten danach aus. Sollte also Ensira solch eine gewisse Vorahnung gehabt haben, so verriet sie es aber Manjuc und Esrun auf keinen Fall, um die beiden nicht unnötig zu beunruhigen. Vater Pirlac indessen mampfte schließlich genüsslich drauflos, denn frisches, noch warmes Brot schmeckte ihm vorzüglich und seine drei erwachsenen Kinder taten es ihm, ohne einen weiteren Gedanken an das Thema „Raumfahrt“ zu verschwenden, gleich.
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ZUM ALPHA TAURI
Manjuc bestellte gleich nach dem Aufstehen einen Gravitoner, der ihn und seinen Bruder nach dem Frühstück direkt zum Hauptgebäude der CORA in Ozeanopolis bringen sollte. Der Abschied der beiden Astronauten von den Eltern und Manlica fiel diesmal besonders schwer. Zum einen, weil Manjuc und Esrun so lange wie noch nie zu Hause Urlaub machen konnten und zum anderen, weil die bevorstehende Expedition zum Alpha Tauri keinen festgeschriebenen Rückkehr-Termin beinhaltete. Demzufolge war es ziemlich ungewiss, wann die beiden denn wieder Heim kämen. Außerdem hatte ja Ensira ausgerechnet dieses Mal so ein seltsam ungutes Gefühl, was die Heimkehr des Raumschiffes und ihrer beiden Söhne betraf. Dieses Gefühl war neu bei ihr und wenn Manjuc und Esrun in der Vergangenheit Reisen ins Weltall unternahmen, konnte sie sich bisher jedes Mal ausgesprochen sicher sein, dass sie auch zurückkehrten. Nur, heute war es irgendwie anders und sie versuchte krampfhaft, ihre Ängste und Sorgen vor den beiden zu verbergen. Aber Esrun und vor allem Manjuc spürten, dass dieses Mal mit ihrer Mutter irgendetwas nicht in Ordnung war.
„Mutter, du tust ja gerade so, als ob dies ein Abschied für immer wäre?“, spekulierte der ältere der beiden Astronauten. „Was, um alles in der Welt, ist denn heute nur los mit dir? Diese neue Expedition wird doch bei weitem nicht so lange dauern wie die erste damals zum Planeten Erde! Alpha Tauri ist nur zweiundzwanzig Komma sieben Lichtjahre entfernt und mit dem neuen, noch schnelleren Raumschiff dauert die Reise dorthin ganze sechsundsechzig Tage! – Mutter, selbst wenn wir uns dort nur, sagen wir mal, acht Tage aufhalten sollten, so sind wir summa summarum in einhundertvierzig Tagen, also in sieben Monaten schon wieder da! – Na, siehst du, das ist doch kaum ein Grund traurig zu sein.“
Ensira versuchte weiterhin ihre unterschwelligen Gefühle zu unterdrücken, was ihr aber, je länger der Abschied dauerte, nicht mehr so leicht fiel und nun begann auch Pirlac, ihr Ehemann, seiner Frau gut zuzureden.
„Du musst dir doch nun wirklich nicht solch unnötig große Sorgen machen, Ensira! Die Jungs sind mit dem neuesten und besten Raumschiff der Croma, welches unsere Ingenieure jemals konstruiert haben, unterwegs und werden dabei so sicher reisen wie nie zuvor! Außerdem dauert diese Expedition wirklich nicht so sehr lange und sie kommen, wie Manjuc sagt, wahrscheinlich in sieben Monaten schon wieder zurück. – Nun schau doch nicht mehr so traurig aus deinen Augen, meine liebe Ensira, und wisch‘ dir erst einmal die Tränen ab!“
Am leichtesten fiel Manlica der Abschied. Sie war es in ihrem noch recht jungen Leben mehr als gewohnt, dass ihre beiden Brüder für mehrere Monate oder gar Jahre von zu Hause fort waren. Manjuc und Esrun verabschiedeten sich von ihr wie gehabt mit einer kurzen Umarmung und einem schwesterlichen Kuss auf die Wange. Sie wünschten ihr auch alles Gute für das zukünftige Medizinstudium und baten sie inständig, sich um den seelischen Zustand ihrer Mutter zu kümmern, der zurzeit leicht angeknackst zu sein schien.
Bei Pirlac und vor allem erst bei Ensira dauerte der Abschied etwas länger. Es sah fast so aus, als wolle die Mutter ihre beiden Söhne bei den Umarmungen gar nicht wieder loslassen! Erst als der Vater die
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