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Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood

Titel: Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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sie Manco eine Hand auf die Stirn. »Meine Mutter,
ebenfalls erschossen. Ob wir uns wohlfühlen werden? Nein, Lily, ich glaube nicht.«
    »Sieh mal, Kris, jetzt gibt es nur noch uns. Wir sind alles, was von der Familie übrig ist. Du und ich und Manco. Wir hatten unsere Differenzen …«
    Kristie lachte ihr ins Gesicht. »Differenzen! Wir standen in einem Krieg auf entgegengesetzten Seiten!«
    »Ich habe den Krieg nicht angefangen.«
    »Nein. Hättest du auch nie, oder? Du warst schon immer so, stimmt’s, Tante Lily? Hast dich immer aus allem rausgehalten. Nie Position bezogen, nie Verantwortung übernommen. Aber dich immer ins Leben anderer Leute eingemischt. Du hast mich entführt …«
    »Ich habe dich gerettet.«
    »Das sehe ich anders. Falls es dir nicht aufgefallen ist, meine Partei hat gesiegt . Selbst ohne Ollantay hätte ich zu seiner Familie zurückkehren können. Sie sind auch Mancos Verwandte. Ich hätte mein eigenes Leben weiterleben können.«
    Und ertrinken, dachte Lily. »Wir müssen miteinander reden, Kris.«
    »Geh einfach«, sagte Kristie abweisend. Sie war ihrer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten, Amanda in einem ihrer störrischen Momente, die geschürzten Lippen, der schräg gelegte Kopf, der unnachgiebige Blick.
    Lily brach das Herz. Sie wandte sich zur Tür.
    »Lily. Eins noch.«
    »Ja?«
    »Halt ihn mir vom Hals.«
    »Wen?«

    »Piers. Ist mir egal, wie groß oder klein Nathans verdammtes Schiff ist. Halt ihn mir einfach vom Hals.«
    Lily ging wortlos hinaus.
     
    Draußen im Gang blieb sie stehen und lehnte sich an die Wand. Sie war unaufhörlich in Bewegung gewesen, seit sie in Chosica aus dem Hubschrauber gesprungen war. Jetzt hatte sie das Gefühl, dass ihr vor Erschöpfung die Luft wegblieb; die Muskeln in ihren Beinen zitterten, ihr zum Bersten voller Schädel dröhnte, das Blut sang in ihren Ohren. Nach den Anstrengungen des Tages, dem Kampf, dem Schock der vielen Toten stand sie kurz vor einem Zusammenbruch. Ich bin zu alt für solche Sachen, dachte sie.
    Sie hatte nicht einmal Zeit gehabt, an Amanda zu denken, an ihren zufälligen, unglückseligen Tod durch eine Kugel. Ihre Schwester war tot, ein intensives, komplexes, unvollendetes Leben, das von einem Augenblick auf den anderen durch ein Stück Blei ausgelöscht worden war. Lily fühlte sich, als wäre ein Teil von ihr abgeschitten worden, eine Amputation. Sie würde später dafür bezahlen, wenn sie endlich zur Ruhe kam. Aber vorher hatte sie noch etwas zu erledigen.
    Sie klopfte an Graces Tür und verschaffte sich dann mit der Magnetkarte Einlass.
    Graces Suite glich der von Kristie. Helens Tochter saß auf einem Stuhl, ganz vorn auf der Kante, als hätte sie Angst, ihn schmutzig zu machen. Sie war ebenso staubig wie Kristie. Aber sie hatte die Stiefel ausgezogen und an die Tür gestellt.
    Lily nahm behutsam ihr gegenüber Platz. »Das hier muss sehr seltsam für dich sein, nach Walker City.«

    »Ich bin in keinem solchen Raum mehr gewesen, seit ich fünf Jahre alt war. Und ich habe nicht viele Erinnerungen an die Zeit davor.« Grace war in sich gekehrt, sie presste ihre zu Fäusten geballten Hände in den Schoß. Ihr Akzent war merkwürdig, ein Gemisch aus vielerlei Einflüssen.
    »Du brauchst keine Angst zu haben.«
    Grace sah sie nur an, und Lily fragte sich, wie oft sie in ihrem Leben wohl schon solche beruhigenden Worte gehört hatte. »Ich habe die Stiefel ausgezogen.«
    »Hab ich gesehen.«
    »Das musste ich damals immer tun. Bei der Familie meines Vaters, in den Palästen. Wenn ich vom Spielen reinkam, aus den Gärten … das weiß ich noch.«
    »Also, hier drin kannst du deine Stiefel tragen, so lange du willst.« Lily machte eine Handbewegung. »Das ist dein Zimmer. In den Schränken sind Kleider zum Wechseln. Und wenn sie dir nicht gefallen …«
    »Gary hat mich dir übergeben, wie man jemandem ein Paket aushändigt.«
    »Das hat er bestimmt nicht so gemeint.«
    »Ich war fünfzehn Jahre lang bei ihm. Er hat mich einfach so weitergereicht. An dich, an das hier.« Sie sah Lily an, nicht zornig, sondern verwundert. »Ich weiß über Barcelona Bescheid. Wo du und Gary und meine Mutter Geiseln wart.«
    »Ja. Und du auch. Du bist dort zur Welt gekommen.«
    »Ich weiß. Ihr seid von einer Gruppe zur anderen weitergereicht worden, ein Symbol, eine Trophäe. Mit mir habt ihr’s heute genauso gemacht.«
    »Wir wollten nur das Beste für dich«, sagte Lily verzweifelt. »Wir versuchen, dich zu retten. Das ist alles. Dir

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