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Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood

Titel: Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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wird
hier nichts geschehen. Du bist jetzt in Sicherheit , Grace. Ich schwör’s.«
    Aber Graces Blick wurde glasig, als blickte sie nach innen.
    Lily stand auf. An der Tür sah sie sich noch einmal um. Grace hatte sich nicht von ihrem Stuhl gerührt. Sie saß allein in dem stillen, sinnlos opulenten Zimmer.

73
    Lily unternahm auf eigene Faust einen Rundgang durch das Schiff. Von anderen Menschen hielt sie sich fern.
    Überall lag ein durchdringender Gestank von Sägemehl, Lack, Farbe und neuen Teppichen in der Luft. Die Böden waren mit synthetischem Gummi, Linoleum oder Binsenmatten ausgelegt. Einige Wände waren gestrichen oder mit Holz vertäfelt und mit ungelenk ausgeführten geometrischen Mustern und Wandbildern verziert. Doch obwohl man das Schiff schon vor Jahren auf halber Höhe eines Andenberges auf Kiel gelegt hatte, waren die Arbeiten noch immer nicht abgeschlossen; während Lily an nackten Stahlwänden vorbeiging, schätzte sie, dass etwa fünfzig Prozent der Innenausstattung noch fertiggestellt werden mussten.
    Lily war noch nie an Bord dieses Schiffes gewesen, des gewaltigsten von Lammocksons vielen Projekten. Waren all die Ressourcen, über die er verfügt hatte, mit diesem riesigen, gestrandeten Wasserfahrzeug wirklich ihrer optimalen Verwendung zugeführt worden? Lily hatte die Kontroverse bisher einfach vermieden und war dem Schiff ferngeblieben. Nun, sie hatte sich geirrt, wie sie sich schon früher in Nathan Lammockson geirrt hatte. Jetzt wünschte sie, sie hätte seine Angebote angenommen, ihr alles zu zeigen und sie ausbilden zu lassen; an diesem Tag wäre es von Nutzen gewesen.

    Mit einiger Mühe fand sie den Rückweg zu ihrem Zimmer.
    Sie streifte den schmutzigen Overall ab und nahm eine Dusche. An der Armatur gab es eine Einstellmöglichkeit, die sie noch nie gesehen hatte: für Salzwasser. In der Annahme, die Systeme des Schiffes dadurch weniger zu belasten, wählte sie diese. Das Wasser war heiß, aber seltsam beißend, und der Salzgeruch weckte Erinnerungen an Kindheitstage am Meer. Sie blieb lange unter der Dusche. Dann spülte sie das Salz mit einem schnellen kalten Süßwasserschwall ab.
    Während sie sich abtrocknete, merkte sie, dass sie niemanden sehen wollte, weder Piers noch Grace oder Kristie, und erst recht nicht Nathan. Der heutige Tag war schon lang genug gewesen. Obwohl es noch früh war, schloss sie ihre Tür ab.
    Sie erkundete den Raum. Es gab eine kleine Nische mit Wasserkocher, Kaffeemaschine und Minimikrowelle, fast schon eine winzige Küche. Unglaublicherweise gab es auch eine Minibar. Sie befand sich wirklich in einem schwimmenden Hotel am Ende der Welt. Wie lange konnte so etwas wohl Bestand haben?
    Sie probierte den Fernseher aus. Er war auf den Nachrichtenkanal der amerikanischen Regierung eingestellt, dessen sporadisches Programm von einem Sender in Denver ausgestrahlt wurde. Daneben gab es einen Spielfilmabrufservice, der unter anderem einige Titel aus den 1930er Jahren im Angebot hatte, als das Original dieses Schiffes vom Stapel gelaufen war. Sie warf einen Blick in King Kong und Things to Come ; die Schwarzweißbilder waren digital aufbereitet worden. Aber sie hatte das Interesse an Spielfilmen verloren, als
man aufgehört hatte, welche zu drehen, als jeder jemals gedrehte Spielfilm ein alter Spielfilm geworden war, der in einer irrealen, nunmehr völlig belanglosen Welt spielte. Sie schaltete den Fernseher aus.
    Zum Abendessen verspeiste sie einen Schokoriegel, dann arbeitete sie sich durch die kleinen Ginflaschen in der Minibar. Als sie einschlief, wusste sie nicht genau, ob sie weinte oder nicht.
     
    Am nächsten Morgen kam Piers zu ihr. Er sagte, sie hätten noch eine Stunde Zeit bis zu der Jungfernfahrtzeremonie, die Lammockson abhalten würde. »Anwesenheit natürlich obligatorisch.« Er bot an, ihr in der Zwischenzeit das Schiff zu zeigen. »Willkommen in deiner neuen Heimat.«
    »Wohl eher ›willkommen im Irrenhaus‹«, blaffte sie verkatert und deprimiert.
    »Darüber muss sich jeder von uns seine eigene Meinung bilden.« Er legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Alles in Ordnung mit dir?«
    »Ich komme schon klar.«
    »Mehr kann man sich meistens auch nicht erhoffen«, sagte Piers trocken. »Komm. Die VIP-Tour …«
    Sie gingen zu einem imposanten Treppenhaus, das sich wie ein Fahrstuhlschacht in einem Bergwerk durch die Etagen bohrte, und stiegen zum obersten Deck hinauf. Es war flächenmäßig das kleinste, denn die oberen Decks des Schiffes

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