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Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood

Titel: Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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hinweg wanderte. Zuerst dachte sie, es wäre eine Leuchtkugel. Sie drehte sich um und hielt Ausschau nach ihr. Sie sah einen strahlend hellen Lichtpunkt, der in den Westhimmel stieg und eine Rauchsäule hinter sich herzog, die vom Lichtschein des Feuers an der Spitze erhellt wurde. Während er emporstieg, beschrieb er einen Bogen und zog eine elegante Kurve über das Antlitz des Himmels. Und dann drang das Geräusch an ihr Ohr, ein leises Grollen, wie ein sehr fernes Gewitter. Der Lichtfunke am Himmel entfernte sich.
    Grace, dachte Lily sofort. Grace. Was konnte es sonst sein?
    Hastig überprüfte sie die Datenbank. Nur Klatsch, den Kristie von jemandem auf einem anderen Floß aufgeschnappt hatte, der ihn wiederum von jemand anderem gehört hatte, der - und so weiter. Es ließ sich nicht verifizieren. Die Quelle hatte nicht einmal einen Namen. Lily würde nie erfahren, ob es wahr war. Sie las den Eintrag immer wieder, versuchte, weitere Informationen aus den wenigen Worten herauszuquetschen, bis Manco im Schlaf nach ihr rief.
    Später sah sie sich den vorletzten Eintrag an. Es war ein im Radio übertragener Bericht aus den Überresten Amerikas: Man glaubte, das Pferd sei ausgestorben.

    Am Morgen richtete Lily den Leichnam her, so gut sie konnte. Sie stopfte den Teddy in den Rucksack und schlang ihn um Kristies Hals.
    Dann holte sie sich Hilfe, um Kristies Körper zum Rand des Floßes zu tragen. Es war inzwischen ein großes Konstrukt mit einem Durchmesser von fast hundert Metern, ein schwimmendes Dorf, errichtet auf einem Substrat von Lammocksons genmanipulierten Seetang-Alginprodukten. Abgesehen von ihrem Rucksack wurde Kristie nackt ins Meer hinabgelassen; sie konnten die Kleidungsstücke nicht entbehren. Obendrein mussten sie eine Art Spießrutenlauf durch einen Teil der Floßbewohner absolvieren, eine Gruppe jüngerer Leute, die nicht an Meeresbestattungen glaubten. Es gab keinen Kannibalismus, aber Kristies Körper stellte eine zu wertvolle Ressource dar, als dass man sie ans Meer verschwenden durfte. Das war jedenfalls ihr Standpunkt, doch Lily sah es anders, und da sie eine der Ältesten von der Arche war, hinderte sie niemand an ihrem Vorhaben.
    Sie besaß nicht einmal etwas, womit sie den Körper beschweren konnte. Kristies Grab würden die scharfen Zähne des Meeres sein.
    So blieben Lily und Manco allein zurück. Sie kamen aus verschiedenen Welten, sie waren sich fremd. Sie stritten und weinten.

94
    MÄRZ 2044
    Als das Antlitz des Mondes vollständig durch den Erdschatten bedeckt wurde und in jenem faszinierenden Blutrot erblühte, hörte Lily die plötzlichen Laute des Erstaunens, die überall in der Floßgemeinschaft emporstiegen, das ehrfürchtige Gemurmel der Menge, die Rufe der Kinder: »Schau dir das an!«, in einer Vielzahl von Sprachen. Das orangefarbene Licht des verfinsterten Mondes legte sich auf Mancos nach oben gewandtes Gesicht und ließ es wie eine Münze glänzen. Als der Himmel des Mondlichts beraubt war, kamen die anderen Sterne zum Vorschein, beherrscht von Jupiter, dem König der Planeten.
    Lily stellte sich vor, wie es wohl wäre, jetzt vom Mond zur Erde zu schauen, den Busen des Erdmeeres im getönten Mondlicht schimmern zu sehen, unbegrenzt von Pol zu Pol bis auf die letzten paar Berggipfel-Inseln mit ihren Tupfern aus Flößen, Booten und Abfallinseln, und die Menschen zu erahnen, die ihr Gesicht hoben, um das Schauspiel am Himmel zu betrachten. Lily hätte sich liebend gern einfach entspannt und das Spektakel genossen.
    Aber sie musste arbeiten, musste Informationen in Mancos dreizehn Jahre alten Schädel hämmern.
    Auf dem aus der Arche geborgenen Fetzen Plastikplane, den sie über den klebrigen Seetang-Algin-Boden ihres Floßes ausgebreitet hatten, suchte sie sich neben dem Jungen einen
bequemeren Platz. »Also, Manco, du musst ganz besonders auf die Momente achten, in denen der Erdschatten den Rand des Mondes berührt - dann tritt der Mond in den Schattenkegel ein oder verlässt ihn. Diese Momente kann man nämlich zeitlich genau bestimmen, weißt du, mit einer Genauigkeit von weniger als einer Sekunde.« Sie machte einen Eintrag in Kristies Handheld, um ihm zu zeigen, was sie meinte. »Und dann notierst du die Zeit, und zwar so …«
    »Das Licht ist komisch«, sagte er. »Sieht gar nicht wie Mondlicht aus.«
    »Nein. Das kommt daher, dass es kein normales Mondlicht ist. Der Mond ›scheint‹, wenn das Licht der Sonne auf die Oberfläche des Mondes fällt. Während einer

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