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Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood

Titel: Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Mondfinsternis wird das gesamte Sonnenlicht, das den Mond erreicht, aber durch die Atmosphäre der Erde gebrochen. Es kommt um den Rand der Erde herum, und es ist rot. Als würden alle Sonnenaufgänge und Sonnenuntergänge der Welt zugleich auf den Mond fallen …«
    Es interessierte ihn nicht.
    Und ihre Stimme ließ sie im Stich. Sie hatte Durst. Himmel noch mal, sie war achtundsechzig Jahre alt und lebte seit drei Jahren auf einem Floß, und die Plastikeimer waren seit langen Tagen leer. Sie hatte ein Recht auf Halsschmerzen. Zwar konnte man immer ein wenig Feuchtigkeit von den Fischen bekommen, von ausgesaugten Augäpfeln oder Rückenmarksflüssigkeit, womit Kinder wie Manco keine Probleme zu haben schienen. Aber Lily wurde es übel dabei, und es hinterließ einen salzigen, öligen Nachgeschmack, der fast noch schlimmer war als der Durst selbst.
    Sie versuchte sich zu konzentrieren.

    Ihr Ziel war, dem jungen Manco die von ihr entwickelte Methode zur Berechnung der geografischen Länge einzubläuen.
    Weil exakte Zeitmessung dafür von grundlegender Bedeutung war, würde die Ermittlung der geografischen Länge in Zukunft, wenn alle Uhren aufgehört hatten zu funktionieren, eine schwierige Aufgabe darstellen. Aber ihr alter astronomischer Almanach - ein Andenken an die New Jersey - enthielt präzise Zeitangaben der Mondfinsternisse, von Greenwich aus gesehen, für jedes Jahr bis 2100. Eine Mondfinsternis war ein Ereignis, das überall auf einer Seite des Planeten zu sehen war. Man musste nur das aktuelle Datum kennen - sie wusste aus Kristies Handheld, dass heute der 13. März 2044 war -, und wenn man dann den Moment der totalen Mondfinsternis festhielt und ihn mit der richtigen Vorhersage im Almanach abglich, kannte man die genaue Greenwich-Zeit für diesen Moment. Und wenn man die kannte, musste man sich nur die Sterne anschauen und ihre Konstellation mit jener der Sterne am Himmel über London vergleichen, die der Almanach für diesen Zeitpunkt anzeigte - dann konnte man erkennen, wie weit man auf der gekrümmten Erdoberfläche von Greenwich entfernt war …
    Selbst Lily kam das schrecklich kompliziert vor.
    »Ich verstehe nicht, was das für einen Unterschied macht«, sagte Manco. »Geografische Länge, ja, okay, wie weit wir vom Äquator entfernt sind …«
    »Geografische Breite. Das ist die geografische Breite. Die geografische Länge ist …«
    »Breite ist leicht.« Er zeigte auf den Polarstern. »Kommt einfach drauf an, wie hoch der steht. Und Breite ist wichtig.«
Das stimmte. Man blieb am besten in der Nähe des Äquators, wohin sich die großen Hurrikane selten verirrten, und wagte sich dabei immer wieder ein kleines Stück nach Norden oder Süden, denn die Hurrikane hinterließen auf ihrem Weg aufgewühltes Wasser, in dem man besser fischen konnte. »Aber wen interessiert die Länge? Wofür ist die wichtig? Ist doch alles dasselbe, bloß Wasser, ganz gleich, wie weit man nach Osten oder Westen fährt. Ich meine, wo sind wir gerade?«
    »Ungefähr fünfundsiebzig Grad östlicher Länge. Irgendwo im Indischen Ozean.«
    »Ja und? Wen interessiert’s? Wo ist Indisch?«
    »Indien. Es hieß Indien. Der Punkt ist …«
    »Darf ich zu Ana? Ich werde ihr von der Eklipse und der Breite und so weiter erzählen.«
    »Länge.«
    »Was auch immer.«
    Und schon war er fort. Er tappte in seinen zerrissenen Shorts - seinem einzigen Kleidungsstück - mit anmutigen Bewegungen über den Boden des Floßes, ohne auch nur einen Gedanken an Lammocksons wundersames Substrat zu verschwenden, ein sich selbst erhaltendes Alltagswunder, das jeder als selbstverständlich betrachtete und das die meisten jungen Leute auch nicht andeutungsweise verstanden, ja nicht einmal bemerkten.
    Am Rand des Floßes glitt Manco ins mondbeschienene Wasser und schwamm davon.
    Lily hörte Lammockson husten, lange bevor er aus dem Dunkeln auftauchte.

    Er kam herbeigehinkt. In den letzten paar Jahren hatte ihn die Arthritis zu plagen begonnen, wofür er die Feuchtigkeit des Meeres verantwortlich machte. »Wo, zum Teufel, steckt Manco? Ich dachte, er hätte jetzt Schule.«
    Lily glättete einen Haufen Decken, damit er sich setzen konnte; er ließ sich schmerzgepeinigt nieder. »Ach, Nathan, Sie wissen doch, wie das mit den Kindern ist. Sie können einfach nicht still sitzen. Ana ist jedenfalls kein schlechtes Kind. Kennen Sie ihre Eltern? Russen, die bis in die amerikanischen Weststaaten gelangt waren, nachdem die Flut ihr Land verschlungen hatte.

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