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Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood

Titel: Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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sich her trieb und das sich nun in der enger und flacher werdenden Mündung staute. Auf ihrem Weg schwappte sie fast beiläufig über Wehre und Mauern, und an beiden Ufern breiteten sich dunkle Flecken über Straßen, Gärten und Parks aus.
    »Kriegst du das rein, Sanj?«, rief Thandie nach hinten. Sanjay steuerte die unter dem Rumpf des Choppers angebrachte Kamera mit einem Joystick. »Ziemlich gut«, vermeldete er.
    »Wir geben’s an die Nachrichtenkanäle durch …«
    Die Flut erreichte die petrochemischen Raffinerien und Lagertanks. Das Wasser breitete sich zu Füßen der riesigen Anlagen aus; es sah so schwarz und zähflüssig aus wie das Öl, das dort verarbeitet wurde. Lichter erloschen, stehen gebliebene Autos gingen unter. Das Wasser schien rasch zu steigen.
    Dann drang die Flut in die Wohngebiete vor. Thandie ging tiefer hinab. Das reißende Wasser ergoss sich auf Zufahrtsstraßen, die immer noch voller Autos waren, und erfasste Fahrzeuge, deren Scheinwerfer flackerten und erloschen. Die Insassen kletterten durch Fenster und Türen aus ihren Wagen, stiegen auf die Dächer, versuchten, durch das
steigende Wasser zu waten. Die Strömung riss die Autos mit und rammte sie wie Baumstämme in die fliehende Menschenmenge.
    All dies sah Gary von oben, aus der Wärme und relativen Behaglichkeit der Hubschrauberkabine. Es waren weder Schreie noch Rufe zu hören; das Tosen des Sturms und das Rattern des Hubschraubermotors übertönten alle menschlichen Geräusche. Plötzlich war der Sturm nicht mehr nur ein außergewöhnliches Wetterereignis, ein Rätsel für Klimamodellierer.
    »Mein Gott«, sagte er und rang um Fassung. »Da unten spielt sich eine Katastrophe ab.«
    »Der ganze verdammte Tag ist schon eine Katastrophe«, erwiderte Thandie. »Tun wir einfach unseren Job.«
    Der Hubschrauber stieg dröhnend in die Höhe und flog nach Westen. Das überschwemmte Wohngebiet wurde zu einem abstrakten Gemisch aus Wasser und Land.

12
    Sie folgten der Sturmfront flussaufwärts in Richtung des Londoner Zentrums, flogen über Tilbury hinweg, zehn bis zwölf Kilometer westlich von Canvey Island. In diesem dicht besiedelten Gebiet war eine weitaus umfangreichere Evakuierung im Gange; Autoschlangen schoben sich aus Tilbury im Norden und aus Gravesend im Süden der Themse he raus.
    Umspannwerke wurden überflutet, in ganzen Stadtvierteln fiel die Beleuchtung aus. Auf dem Fluss selbst war ein Containerschiff offenbar inmitten eines Wendemanövers von der Welle erfasst worden und gekentert, wobei die Container wie Streichhölzer ins Wasser gepurzelt waren. Allein das hatte schon eine groß angelegte Rettungsoperation ausgelöst, wie Gary sah: Helikopter und auch Rettungsboote scharten sich um das havarierte Schiff.
    Der Hubschrauber flog weiter.
    »Wir müssen das verstehen«, murmelte Thandie. »Es verstehen und was dagegen unternehmen.«
    »Der mittlere Meeresspiegel ist um bis zu einem Meter gestiegen«, sagte Gary.
    Thandie drehte sich um. »Wer hat dir das erzählt?«
    »Ein elfjähriges Mädchen.«
    Thandie grunzte. »Tja, da könnte sie recht haben.«

    »Es war wirklich ein Mädchen.«
    »Na klar.«
    »Niemand weiß es genau«, sagte Sanjay. »Trends lassen sich schwer beweisen. Allerdings hat es einige außergewöhnliche fluviatile Ereignisse und Hochwasserkatastrophen wie diese hier gegeben. Und zwar überall auf dem Planeten. Auch die Meerestemperaturen steigen. Die zusätzliche Wärme fördert die Entstehung von Stürmen.«
    »Wie diesem hier?«
    »Möglicherweise. Die Daten sind allerdings lückenhaft.«
    »Was meinst du?«, wandte sich Gary an Thandie.
    »Dass der Meeresspiegel tatsächlich steigt. Mag schon sein, dass die Daten lückenhaft sind, Sanjay, aber alles deutet darauf hin. Der langfristige Trend wird sich mit der Zeit deutlicher zeigen.«
    »Aber wie kann das sein? Ein Meter ist verdammt viel. Als ich entführt wurde, galt ein Meter als Obergrenze für den Anstieg des Meeresspiegels bis zum Ende des Jahrhunderts, nicht bis 2016.«
    »Daran erinnere ich mich noch«, erwiderte Thandie trocken. »Die guten alten Zeiten der globalen Erwärmung.«
    »Also, was ist die Ursache? Du sagst, es liegt nicht nur an der Gletscherschmelze, dem Rückgang der Eiskappen oder der Wärmeausdehnung des Wassers.«
    »Das gibt es alles, wie schon seit Jahrzehnten. Aber hier haben wir’s mit etwas anderem zu tun.«
    »Diese Diskussion tobt schon seit ein paar Jahren«, warf Sanjay ein. »Und Thandie hat da ihre Hypothesen -

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