Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood
reingegangen.«
»Die Toiletten sind leer. Sie kann nicht da drin sein.«
»Hören Sie, sie ist elf Jahre alt!«
»Sie wartet bestimmt am Notsammelplatz Ihrer Gruppe.« Amandas Zorn wich abrupt einem Gefühl der Unzulänglichkeit, der Hilflosigkeit. »An was für einem Sammelplatz? Ich weiß nichts von einem Sammelplatz.«
»Aber ich, Mum«, sagte Benj. »Das stand auf unseren Karten. Parkplatz vier.«
Die Frau zeigte ihr die Richtung. »Es ist ausgeschildert, ganz leicht zu finden.« Ihr Walkie-Talkie quäkte, sie wandte sich mit einem entschuldigenden Blick ab.
Benj übernahm erneut die Führung. »Ich kenn den Weg, Mum. Komm.«
»Versuchen wir noch mal, sie anzurufen.«
Benj hob sein Handy hoch. Der Bildschirm blinkte rot: kein Empfang. »Hab’s schon versucht. Ich kann nicht mal eine Nachricht hinterlassen. Aber sie ist doch nicht völlig verblödet. Sie weiß, wo sie hinmuss.«
»Na, hoffentlich.« Amanda folgte ihm widerstrebend; sie wusste, dass ihr nichts anderes übrigblieb.
Sie gehörten zu den Letzten, die den Dome verließen. Die Menschenmenge war rasch hinausgeströmt. Als sie den Platz im Eingangsbereich überquerten, gesellten sich ein paar Nachzügler aus der Entertainment Avenue zu ihnen, dem großen, kreisrunden Einkaufszentrum, das sich um die Arena im Zentrum des Dome erstreckte, eine Galerie voller Geschäfte und Restaurants mit schicken Laternen; sogar Bäume gediehen im Halbdunkel des Zeltes.
Sie traten in einen Regen hinaus, der vom Wind fast waagerecht durch die Luft gepeitscht wurde. Amanda sah zum Dome zurück. Die Tropfen prallten von dessen schmutzigem Stoffdach ab, von dem sie jedoch nur ein kleines Stück erkennen konnte; es wirkte seltsam unscheinbar, denn seine Krümmung erzeugte einen so nahen Horizont, dass er die wahren Dimensionen des Daches verbarg. Schlechtes Design, dachte sie. Als sie den Blick vom Dome abwandte und zum Parkplatz schaute, sah sie dicht gedrängte, chaotische Menschenmassen. Sie konnte nicht einschätzen, wie viele Leute es waren. Es mochten Zehntausende sein, eine Menge wie bei einem Fußballspiel. Ihr Herz wurde kalt, als ihr die Größenordnung der Evakuierung bewusst wurde.
Benj nahm ihre Hand. Er hielt seine Kapuze zu, so dass sie eng um sein Gesicht lag. »Hier geht’s zum Parkplatz.« Sie arbeiteten sich voran, platschten durch Wasser, das sich auf
dem Beton und dem Asphalt in Pfützen sammelte und allmählich ausgedehntere Tümpel bildete. Überall wimmelte es von Menschen, die in ihren Regenmänteln dahinschlurften. Aber niemand schien beunruhigt zu sein, nur die kleineren Kinder waren aufgeregt. Amanda war offenbar die Einzige, die das Ganze zunehmend aus der Fassung brachte. Sie probierten noch einmal ihre Handys aus, aber immer noch ohne Erfolg.
Bei der U-Bahn-Station schien es irgendwelche Probleme zu geben. Die Station war mit Sperrgittern abgeriegelt, hinter denen durchnässte Polizisten standen. Amanda starrte auf den steten Strom ängstlich aussehender Fahrgäste, die zu Fuß aus der unterirdischen Station kamen. Zweierteams von Sanitätern in neonfarbenen Kitteln bahnten sich ihren Weg durch die hervorströmende Menge nach unten und kamen mit Tragbahren wieder herauf.
Der Anblick der klatschnassen Menschen und der Körper auf den Tragen jagte Amanda einen gewaltigen Schrecken ein. Sie konnte nicht glauben, dass sie noch vor einer knappen halben Stunde mit ihren Kindern gelangweilt in einer warmen Arena gesessen und einer Boygroup zugehört hatte, die Ma drigale massakrierte. Und nun das! Hatte es etwa Tote gegeben?
Und wenn die Jubilee Line überschwemmt war, fuhr wahrscheinlich überhaupt keine U-Bahn mehr. Selbst wenn sie also aus Greenwich herauskamen, würde der restliche Heimweg ein Albtraum werden. Der Tag räufelte sich immer weiter auf, Stück für Stück.
Benj zog an ihrer Hand. »Komm schon, Mum. Mir wird kalt.«
»Ja. Tut mir leid.« Sie eilten weiter.
14
Lily und Piers mussten auf einen Hubschrauber warten, der sie von Shoeburyness nach Greenwich brachte. Die begrenzten Landeplätze der Hydrometropole waren von Flugmaschinen verstopft, die die Gäste gruppenweise in ihren »Katastrophenurlaub« abtransportierten. Das Ganze basierte auf einer Art Versicherungspolice, die von AxysCorp angeboten wurde; sie sah vor, dass man im Falle einer Katastrophe - beispielsweise einer Überschwemmung - einfach in ein Luxushotel an einem sicheren Ort gebracht wurde, wo man abwarten konnte, bis die Gefahr vorüber war. Sollten
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