Die letzte Flut
einen kehligen Laut von sich…
Noah betrachtete die Spitzen seines Bartes und presste seine hölzernen Zähne gegen die fest zusammengebissenen Lippen.
Luci – von der man vielleicht eine heitere und respektlose Bemerkung oder Tat erwartet hätte – schwieg ebenfalls. Unter ihrem Puder und ihrem Rouge war ihre Miene so wenig sprechend wie unbehauener Stein.
Nur Ham war offensichtlich nicht überrascht, dass sein Vater seinem Namen einen neuen Titel hinzugefügt hatte. »Hochwürdigster Doktor« schien ihm nur passend für jemanden, der dabei war, zu einem Gott zu werden.
Hannah fuhr fort: »Der Hochwürdigste Doktor Noyes wird im Kastell auf dem Hauptdeck einquartiert. Zu seiner Verfügung wird er auch haben: die Büroräume nebenan – den Ruheraum zum Meditieren – die Kapelle und ihre Sakristei – die Latrine und das Bad steuerbords im besagten Kastell und den Salon, in dem wir jetzt sitzen…«
Während dieser ganzen Aufzählung hatte Noah als Reaktion auf jeden Punkt genickt – und jetzt winkte er mit der Hand, zum Zeichen, dass Hannah weitermachen sollte.
»Des Hochwürdigsten Herrn Doktors ältester Sohn, Sem, soll für die Instandhaltung der Arche und für ihre Vorräte verantwortlich sein; er wird auch die Arbeiten und Pflichten, die für den Unterhalt besagter Arche und für den Komfort und das Wohlergehen ihrer Bewohner und für die Sicherheit ihrer Fracht notwendig sind, aufteilen und zuteilen.«
»Fracht? Welche Fracht?«, fragte Mrs Noyes. Das war das erste Mal, dass sie von irgendwelcher »Fracht« hörte.
»Na – die Tiere«, sagte Hannah und presste – gegen ihre Gewohnheit – ein herablassendes Lächeln heraus.
»Ach, verstehe«, sagte Mrs Noyes. »Die ›Fracht‹. Natürlich.«
Mit einem Blick zu Noah bat Hannah um Erlaubnis, fortfahren zu dürfen. Er nickte.
Das Vorlesen der Listen setzte sich fort; dabei wurde die Neuigkeit bekannt, dass »Bruder Sem« und »Schwester Hannah« das Quartier über dem Gang Noah gegenüber haben sollten; Japeth bekäme eine Kajüte neben dem Arsenal.
Waren nur noch die an der anderen Tischseite übrig, wo Mrs Noyes, die sich öffentlich bloßgestellt fühlte, schon unter partiellem Schock stand, weil nicht ihr das Quartier, das ihr gebührte, nämlich über dem Gang gegenüber Noah, zugesprochen wurde; er war – schließlich – ihr Ehemann, Herr und (offensichtlich) Hochwürdigster Meister. Warum die Ehre, dort unterzukommen, Hannah zugefallen war, wurde nicht erklärt – und was noch schlimmer war, viel schlimmer, war der eindeutige Eindruck, dass man eine Erklärung nicht für nötig hielt. Hannah war erhöht worden und Mrs Noyes degradiert. Punktum. Und kein Wort des Trostes oder der Erklärung. Obwohl die Vermutung nahe lag, dass Rebellion sich nicht auszahlte – ganz gleich, wer man war oder von welchem Rang –, genügte das nicht, um Hannahs Erhöhung zu erklären. Sie blieb ein Geheimnis.
Noahs Hand machte sich schon auf dem Diagramm zu schaffen –, seine Finger klopften auf die genannten Stellen, während Hannah zu Ende las.
»Mutter Noyes soll auf dem zweiten Deck wohnen, ihr Quartier ist in der Steuerbordkajüte neben demjenigen von Schwester Emma. Schwester Luci und Bruder Ham werden auch auf dem zweiten Deck untergebracht, backbords. Die Latrinen für diese Quartiere befinden sich auf dem dritten Deck…«
Klopf-klopf-klopf – der Finger bewegte sich Treppen und Leitern hinunter und folgte den dunklen Gängen auf dem dritten Deck bis ganz achtern, um die Latrinen ausfindig zu machen. Und dann bewegte er sich, während Hannah zu Ende las, auf diesem Deck bis zum Bug, wo sich die Kombüse und der Salon für diese Quartiere befanden.
Hannah hustete diskret und machte ihr Heft zu, immer noch unbewegt und immer noch mit ihrem unerträglichen, unparteiischen »Ich-habe-nur-meine-Pflicht-getan«- Ausdruck.
Mrs Noyes sprach als Erste.
»Heißt das, dass wir nicht zusammen essen werden?«
»Ja – aber nur aus den allerpraktischsten Gründen«, sagte Noah. »Eure Pflichten, meine Liebe, werden einen Tagesablauf vorschreiben, der sich mit dem Tagesablauf hier auf dem oberen Deck nicht vereinbaren lässt. Es wäre lächerlich zu verlangen, dass ihr um acht Uhr speist, wenn ihr es vorziehen werdet, um sechs – oder sogar um fünf – zu speisen.«
»Aber wir haben noch nie um acht Uhr gespeist«, sagte Mrs Noyes. »In unserem ganzen gemeinsamen Leben – in fünfhundert Jahren! – haben wir niemals um acht gegessen.«
»Bis
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