Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition)
meiner Einlieferung zum ersten Mal wie ein Mensch behandelt worden war, wünschte ich sehnlichst, so lang wie möglich dableiben zu können, selbst wenn ich Schmerzen ertragen müßte.
Der Mann, dem beim Onbashira-Schleifen der Fuß zerquetscht worden war, gab endlich auf und bekam das eine Bein amputiert. Da nur der Knöchel zermalmt war, hatte er gesagt, es genüge doch, das Bein unterhalb des Knies abzutrennen, aber weil dem Menschen ein Bein, das nur zur Hälfte da ist, nichts nütze oder sogar störend sei, nahm man ihm das ganze Bein vom Oberschenkel her ab. Als der Mann nach der Operation mit nur einem Bein zurückkam, brachen seine Frau und seine Mutter in lautes Weinen aus.
Eines Tages erschien überraschend Karuta.
»Sei mir bitte nicht böse, ich habe mir viele Sorgen um dich gemacht, aber die Mutter sagte, du hast mit uns nichts mehr zu tun, und wollte mich um keinen Preis zu dir gehen lassen. Heute hat mir ein Kunde Geld gegeben und ist mit mir ins Kino gegangen. Ich habe ihm gesagt, ich müßte mal austreten, und bin schnell hergekommen.«
Dann fragte sie: »Und du bist hier ganz allein? Niemand ist bei dir?«, und als sie mitleidig sagte: »Wie schrecklich, in einem so schmutzigen Haus zu stecken!«, erzählte ich ihr, daß ich mich hier sehr wohl fühle, weil alle so nett zu mir sind.
»Endlich habe ich ein bißchen Geld, das ich der Mutter verheimlichen konnte!« sagte sie, gab mir 3 Yen und eilte dann wieder fort.
Ich hatte bis dahin noch nie eigenes Geld besessen und auch keine Ahnung, wie ich es verwenden sollte, und war daher ziemlich fassungslos.
Der einbeinige Onkel hatte Karuta gesehen und fragte mich:
»Ist das deine Schwester?«
Ich wußte nicht recht, was ich ihm antworten sollte.
»Na ja, meine wirkliche Schwester ist sie zwar nicht, aber eben doch meine Schwester«, antwortete ich.
»Was für eine Beziehung hast du zu ihr?« – »Lebt ihr zusammen?«
So ging es fort, und schließlich kam es heraus, daß ich ein Geisha-Lehrmädchen bin. Da kam es von allen Seiten, wie aus einem Mund:
»Du armes Mädchen, daß so ein Kind wie du Geisha werden soll! Wir würden dir ja gern beistehen, sind aber leider selber ans Krankenbett gefesselt!« – So sagten sie alle und behandelten mich noch liebenswürdiger als bisher.
Sechs Tage später wurde ich in ein sauberes Einzelzimmer mit Tatami -Boden verlegt, und es kam sogar eine Pflegerin. Ich fragte die Krankenschwester, wieso das denn passiert ist, wo ich doch lieber im früheren Zimmer geblieben wäre.
»Darüber wissen wir nicht Bescheid. Es ist eine Anordnung von der Verwaltung.«
Ich hatte jetzt auch eine andere Krankenschwester, eine grobe Person, wohl weil es eine andere Station war. Ich ließ meine frühere Krankenschwester Kobayashi rufen und bat sie:
»Warum bin ich jetzt allein gelegt? Habe ich da drüben gestört? Ich bin doch kein Quälgeist gewesen, oder? Habe ich nicht die Behandlung und die Spritzen tapfer ertragen? Laß mich wieder ins frühere Zimmer bringen!«
»Du bist ein liebes Kind. Aber du bist jetzt in der gebührenpflichtigen Station. Da, wo du vorher warst, liegen die Leute, die nicht bezahlen können.«
»Wieso wird das jetzt auf einmal bezahlt? Bitte bring mich wieder auf das vorige Zimmer, auch wenn Geld bezahlt wird! Richte das bitte dem Herrn Direktor aus!«
»So einfach geht das nicht, das ist eine Vorschrift. Wenn ich wieder Zeit habe, sehe ich nach dir. Bleib so brav wie bisher!«
Wo ich doch gerade so glücklich gewesen bin! Ich hätte keinerlei Vorschriften gebraucht. Und auch kein Geld; nur deswegen bin ich um meine gerade erst erreichte Zufriedenheit gebracht worden!
Bei solchen Gedanken war mir so trostlos zumute, daß ich es kaum ertragen konnte. Und der Junge mit der Gitarre hatte gesagt, bald würden sie ihm von zu Hause Ohagi bringen, und versprochen, mir auch was davon abzugeben … Und der einbeinige Onkel hatte gesagt, er wolle mir die Blumenvase und die Blumen an seinem Bett schenken, weil er bald entlassen werde …
All meine Freuden waren zerronnen wie ein Traum.
Die alte Pflegerin macht jeden Morgen und jeden Abend seltsame Handgebärden und Körperbewegungen und sagt:
»Herr, nimm das Übel von uns und errette uns!«
Sie sagt, ich soll das auch so machen. Ich meinte, ich dürfe die Alte, die mich bis zum Po-Abwischen versorgt, nicht vergrätzen, und machte, in meinem Bett sitzend, emsig mit.
Ein paar Tage später kamen die Mutter vom Takenoya und Karuta, und das
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