Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition)
Rätsel, weshalb auf einmal für mich Geld bezahlt werden konnte, klärte sich auf. Karuta hatte ihre Dienstzeit verlängert und einen Kredit aufgenommen, von dem sie meinen Krankenhaus-Aufenthalt bezahlte. Ich empfand ihre herzensgute Absicht freilich als schwere Last.
Mit Eifer bei der Kunst
Mein fünfmonatiger Klinik-Aufenthalt war zu Ende, ich kehrte wieder ins Takenoya zurück. Daß ich mit allen beiden Beinen aus dem Hospital herauskam, verdanke ich nur dem Doktor Ishii.
Im Takenoya hatte Hamako sich den Künstlernamen Temari zugelegt und war Nachwuchs-Geisha geworden.
Die Geisha sagten alle:
»Was, du hast noch beide Beine? Wir haben die Mutter sagen hören, dir müßte ein Bein amputiert werden. In einem großen Hospital sind eben prima Ärzte!«
»Aber die Mutter ist auch gemein! Wenn ihr jemand nicht mehr nützt, dann schert sie sich nicht mehr um ihn, und wenn sie glaubt, er sei noch nützlich, nimmt sie ihn nach Strich und Faden aus! Bald wird sie ihre Strafe dafür kriegen und ein böses Ende nehmen!«
Ich weiß nicht, ob sie mit solchen Reden mich trösten oder eher ihrem eigenen Unmut Luft machen wollten. Unter ihnen freute sich nur Karuta aufrichtig:
»Schön, daß du wieder da bist, Otsuru! Wir wollen wieder in guter Eintracht zusammenleben. Du und ich, wir sind sicher richtige Schwestern.«
Sie schloß mich in die Arme und weinte.
Mein Bein hatte zwar eine Delle und war krumm, aber das war kein Grund, nicht zum Unterricht zu gehen. Jetzt ging ich aber nicht mehr nur wegen dem bißchen Angst, wieder ausgeschimpft zu werden, oder weil es weh tut, wenn man geschlagen wird; ich wurde vielmehr von dem dringenden Wunsch getrieben, schnell die Künste zu erlernen und selbst Geld zu verdienen, um meiner Schwester bei der Rückzahlung ihres Kredits zu helfen. Ich wußte nämlich nicht, daß beim Marugakae , auch wenn man zum Zashiki geht, allesin die Kasse des Geisha-Hauses fließt, egal wieviel Umsatz man macht, und nichts zum Abtragen des Kredits beiträgt. Ich war nur beseelt von dem Wunsch, eine richtige Geisha zu werden, und bewegte den Körper und die Finger, ob ich unterwegs war oder im Bett, um die Tanzbewegungen und die Techniken des Shamisen-Spiels nur nicht zu vergessen.
Die Klugheit der Otei
Der seichte Fluß
Im Frühling des Jahres, in dem ich 14 geworden war, fand mein ersehntes Debüt als Nachwuchs-Geisha statt, und Temari wurde Voll-Geisha.
Ich will an dieser Stelle kurz erläutern, wie das Geisha-System damals war.
Wenn man verkauft wird, hängt der Marktpreis weitgehend davon ab, wie hübsch das Kind ist. Der Höchstpreis liegt bei 100 Yen, und so ein verwahrlostes Ding wie ich bringt 30 Yen. Damals (1937) kosteten ein Scheffel Reis, glaube ich, bestimmt 20 bis 22 Sen, und ein Paar Socken etwa 20 Sen; ich bin also nach heutigem (1959) Geld für knapp 20 000 Yen verkauft worden.
Ein Lehrmädchen lernt zunächst die Künste und verrichtet allerlei Arbeiten im Geisha-Haus; sie bekommt zu essen und wird eingekleidet. Erst wenn sie Nachwuchs-Geisha geworden ist, geht sie zum Zashiki , tanzt und schenkt Reiswein ein, bleibt aber nicht über Nacht. Ihr Preis ist halb so hoch wie der einer Voll-Geisha, und deshalb nennt man sie »Hangyoku« (Halbpreis).
Um Geisha zu werden, gibt es eine Prüfung, der die Tanz- und Shamisen-Lehrer, die Mutter und Schwestern des Geisha-Hauses, der Leiter der Genossenschaft und außerdem Vertreter von Polizei und Kenban beiwohnen. Auch wenn man verkauft wird, sind Leute von Polizei und Kenban mit dabei.
Nach dem Debüt als Geisha folgt eine zweijährige, Marugakae genannte Zeit, während der ihr Lohn und ihre Trinkgelder samt und sonders in die Kasse des Geisha-Hauses wandern. Das Haus kommt für Kleidung und Verpflegung auf. Meist wird der Geisha nach rund zwei Jahren das »Oshūgidori« zugestanden, das heißt, ihr Lohn geht zwar an das Geisha-Haus, aber die Trinkgelder darf sie behalten, ihre Geisha-Gewänder bekommt sie gestellt, die Alltagskleider muß sie sich selbst besorgen.
Die Dauer der Dienstzeit als Geisha wird bei den Verkaufsgesprächen festgelegt, wobei zehn Jahre die Regel sind, und wenn die Dienstzeit beendet ist, leistet sie noch ein Jahr »Dankesdienst« ab. Danach ist sie vollkommen frei, wird aber in den meisten Fällen »Kanbangari«. »Kanbangari« bedeutet, daß sie ihre Einkünfte selbst erhält, die Kosten für die Verpflegung und die Gebühr für die Geisha-Lizenz jedoch an das Geisha-Haus abführt.
Normalerweise
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