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Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition)

Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sayo Masuda
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bekommt die Geisha gleich nach ihrem Debüt einen Mäzen, und oft kommt es vor, daß sie losgekauft und seine Mätresse wird. Deswegen werden Geisha, die älter sind als 20, schon als »Veteraninnen« geschmäht, aber davon gab es nur wenige.
    Weil die Dienstzeit begrenzt ist, bedeutet guter Umsatz für das Geisha-Haus Profit, und schlechter Umsatz bedeutet Einbußen. Mädchen, die sich schlecht verkauften, wurden »umgesetzt«, nämlich direkt an ein anderes Haus weiterverkauft.
    Alle Einkünfte gehen vom Restaurant aus zum Kenban und werden vom Kenban an das Geisha-Haus ausbezahlt. Im Kenban hängen Namensschilder der Geisha aus, in der Reihenfolge ihrer Beliebtheit, und man kann daran, ob die Vorder- oder die Rückseite des Schildes aushängt, ablesen, ob eine Geisha noch frei oder engagiert ist. Das Restaurant fordert die Geisha nicht direkt im Geisha-Haus an, sondern alles läuft über das Kenban ab.
    Am Tag meines Debüts machte ich, herausgeputzt und mitder Rikscha fahrend, begleitet von einem Vertreter des Kenban und der Mutter des Takenoya, die Runde zu allen Restaurants und Gasthäusern und stellte mich vor.
    Am Anfang, als ich als frischgebackene Nachwuchs-Geisha zum Zashiki ging, jagten mir die anderen Geisha mehr Schrecken ein als die Kunden.
    »Das Kind ist ein bißchen naseweis. Wir müssen ihm ein paar Dämpfer verpassen«, wird man aufs Korn genommen, und dann geht's los mit allerlei Bosheiten, plötzlich, beim Zashiki. Um einer Nachwuchs-Geisha einen Dämpfer zu verpassen, wird gern das Lied vom »Seichten Fluß« benutzt.
 
    Wenn der Fluß nur seicht ist,
    Lupft man's Kleid bis an die Knie,
    Wenn er aber tiefer wird,
    Löst man sich den Gürtel.
 
    Zur musikalischen Begleitung der Geisha tanzt man dazu, und am Ende muß man den Kimono lupfen und sich im Kreis drehen.
    »Was ist denn das, das hat eben aber gar nicht geklappt! Wir müssen's noch mal probieren, nicht wahr, Herr Sowieso?« sagen sie, die Zustimmung des Gastes einfordernd. Weil der Kunde gern einwilligt, bricht fast jedes Nachwuchs-Mädchen in Tränen aus, wenn es angestarrt und zweimal oder dreimal zum Wiederholen gezwungen wird.
    Weil ich an meinem Bein die häßliche Narbe habe, genierte ich mich noch mehr als andere Mädchen, ertrug es aber, fest entschlossen, nicht zu weinen. In meinem Innern kochte ein Wirbel aus Scham und Schmach, und mir war zumute, als müßte ich blutige Tränen vergießen. In solchen Fällen aber zu heulen, das verschafft denjenigen, die mit Absicht andere erniedrigen wollen, nur Befriedigung. Ich setzte deshalb vielmehr ein breites Grinsen auf und tat so, als wollte ich sagen: »Bitte sehr, immerzu, so oft ihr wollt …!«
    Als sie merkten, daß es bei mir nicht verfing, versuchten sie es mit einer anderen Masche:
    »Von der Patronin des Takenoya haben wir gehört, daß du Otei, ›Schwachkopf‹, geheißen wirst. Wie treffend, nicht wahr?«
    Ich tat auch diesmal so, als verstehe ich die Bedeutung nicht, und nickte genau wie sie. Ich war bereit, alles widerstandslos über mich ergehen zu lassen, was immer sie mir auch antaten. Vielleicht war es mir gar nicht klar bewußt, aber seit meiner frühsten Kindheit war ich schon so daran gewöhnt, von anderen zur Unterwürfigkeit gezwungen zu werden, daß ich wahrscheinlich gar nicht den Mut gehabt hätte, mich zu wehren.
    Man sagt, daß die Lebewesen bis zum winzigsten Wurm alle auf ihre Art und Weise zu überleben verstehen. Sogar die kleinen Spannraupen haben gelernt, sich zum Überleben zu tarnen, indem sie dieselbe Farbe annehmen wie der Baum und sich so halten wie kleine Zweige …
    Weil man mich »Schwachkopf« nannte, richtete ich mich damit ein, zu allem eine entsprechend gleichgültige Miene zu zeigen, mich nie aufzulehnen, mich bei unangenehmen Sachen dumm zu stellen und nur über Dinge zu reden, die andere Leute erfreuten. Wenn ich glaubte, daß ein Kunde für eine meiner Geisha-Schwestern von Bedeutung sei, paßte ich einen günstigen Moment ab und sagte zum Beispiel:
    »Meine Schwester spricht immer von Ihnen. Sicher gefallen Sie ihr. Mir gefallen Sie auch, aber meine Schwester, die mag Sie noch viel, viel mehr. Das ist sicher das, was man ›Verliebtheit‹ nennt, nicht wahr?«
    Ich zeige ihm ein einfältiges Lächeln. Dann freut sich der Kunde gewaltig, der das für bare Münze nimmt, weil ich, dieer als geistig ein bißchen unterbelichtet ansieht, das gesagt habe. Das erzählt der Gast dann meiner Geisha-Schwester, und ihr hebt das die Laune;

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