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Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition)

Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sayo Masuda
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döste, weckte mich mein Bruder.
    »Schwester, iß das hier!«
    Als ich aufsah, hielt er mir schüchtern einen Brei aus weißem Reis ans Kissen. Mir fiel ein, daß die Tante gestern abend noch gejammert hatte, es sei kein einziges Körnchen Reis mehr übrig, und fragte ihn:
    »Wo hast du das denn her?«
    »Wie ich bei der Mama gewohnt hab, da hat's nie Reis gegeben. Wenn die Mama mal wiederkommt …, hab ich gedacht und bei dem Maurer, wenn ich den Reis waschen mußte, immer ein bißchen was beiseite getan und versteckt. Wenn du nichts ißt, stirbst du, und ich bin dann aufgeschmissen. Da hab ich das gestern heimlich geholt und für dich gekocht«, sagte mein Bruder und flennte.
    Bei der Vorstellung, daß dieser Bub mit seinen gerade 13 Jahren, der mit seinen frostschrundigen Händen täglich Reis wäscht und kocht, der Mutter, die ihn im Stich gelassen hat, nicht böse ist, war ich von seiner Herzensgesinnung so gerührt, daß ich zusammen mit dem Reisbrei auch meine Tränen verschluckte.
    Am nächsten Tag war mein Bruder nicht zu sehen, auch nicht nachdem es dunkel wurde. Was ist denn los mit ihm? Hat er es satt und ist wieder zum Maurer zurückgegangen? dachte ich schon, da kam er spät in der Nacht heim.
    »Schwester, trink das hier!« sagt er und hält mir irgendwas hin.
    »Was ist das denn?« zögere ich.
    »Ich hab getrocknete Regenwürmer gekocht«, sagt er.
    Wenn man auf die Wasseroberfläche eine Glasscherbe legt, kann man gut bis auf den Grund des Flusses sehen. Obwohl es mitten im kalten Winter ist, hat er den halben Tag lang im Wasser gestanden und Schrott rausgeholt, dafür 2 Sen bekommen, getrocknete Regenwürmer gekauft und für mich gekocht. Und das geht auch nicht bei dem Fluß hier in der Nähe, sondern er ist bis zu dem Fluß in der Stadt gegangen. Und deshalb ist es so spät geworden.
    Während ich fühlte, wie kalt die Füße meines kleinen Bruders waren, wie er zum Fußende meiner Matratze reingekrabbelt kam und da zusammengerollt schlief, dachte ich nach. Ich nahm mir felsenfest vor, diesen Bub, meinen Bruder, glücklich zu machen, was immer ich dafür auch tun müßte, und sollte ich mir dafür auch Fleisch vom Leibe raspeln und es verkaufen müssen. Die feste Entschlossenheit, für meinen Bruder, der nach Familie und Liebe dürstet, weiterleben zu wollen, schnürte mir geradezu schmerzend die Brust zusammen.
    Ein andermal hatte mein Bruder für mich an einem Regentag Zigaretten aufgesammelt. Ich seufze öfter »ich möcht mal wieder 'nen Zug tun«; da ist er bis in die eine halbe Meile entfernte Stadt gelaufen und hat drei oder vier Kippen aufgelesen. Vom Regen durchweicht und gelbgefärbt, das Papier in Fetzen, hat er sie auf seine verfrorene Hand gelegt und mir schweigend hingehalten.
    Tränen der Erniedrigung
    Ich dachte, um meinen Bruder glücklich zu machen, nützt es wenig, wenn wir an einem Ort wie diesem bleiben. Ich beschloß, meine Geisha-Schwester Karuta in Chiba zu besuchen. Wie ich aber mit der Tante darüber spreche, sagt sie, sie habe derzeit nicht mal genug Geld für die Zugfahrkarten. Nichts zu machen. Gerade 50 Sen läßt sie sich schließlich abknöpfen, und wir fuhren erst mal nach Kamisuwa. Ich ließ meinen Bruder am Seeufer warten, dort, wo ich mich immer mit Herrn Motoyama getroffen hatte, und lief zum Ichiriki.
    »Ich bitte Sie, mir 10 Yen zu borgen!« sagte ich zur Patronin, aber sie antwortete: »Auch wir stecken jetzt in der Flaute«, überlegte und sagte dann:
    »Wie wär's, den Herrn Hi zu bitten? Der war doch richtig verliebt in dich, Tsuruchan.«
    Jener Herr Hi, der Tsukiko in den Tod getrieben hat.
    Ich nickte zustimmend, mit den Zähnen knirschend, bereit, meinem Bruder zuliebe jede Erniedrigung zu ertragen.Es gibt keinen Reis, kein Miso-Bohnenmus, die Restaurants gehen pleite, aber das Geisha-Gewerbe hat auch andere Seiten.
    Bald erschien Herr Hi zum Zashiki im Ichiriki.
    »Du hast dich doch wohl nicht in der Adresse geirrt?« lachte er höhnisch, aber ich ließ es geduldig über mich ergehen und fiel ihm ins Wort:
    »Kaufen Sie mich bitte für einen Abend, für 10 Yen.«
    »Die himmlische, unvergleichliche Tsuruyo für 10 Yen, das ist aber billig zu haben, das lass' ich mir bestimmt nicht entgehen. Wenn ich dich dafür kaufe, gehörst du mir und wirst wohl auf alles gefaßt sein, nicht wahr?« lacht er, das Gesicht brutal verziehend.
    »Bitte sehr«, fordere ich ihn auf, dem Kerl in die Augen sehend.
    »Ich bin nicht so mit Frauen unterversorgt, daß ich

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