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Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition)

Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sayo Masuda
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geliebte Herr Motoyama wenigstens da wäre, das würde mir schon Kraft geben …!
    Meine Sehnsucht wird ihn irgendwann erreichen.
    Bruderliebe
    Wie elend, das Haus meines Onkels, das ich doch noch gefunden habe …!
    Durch die umgestürzte Gartenmauer kann man von außen das Innere vollkommen einsehen. Als ich laut »Verzeihung bitte!« rief, streckte die Tante ihren Kopf durch die Lücke in der Mauer. Trotz allem wurde ich endlich unter ein Dach gelassen und erfuhr, daß mein Onkel vor zwei Jahren, als das Haus bei einem Taifun zusammenstürzte, von einem Deckenbalken erschlagen zu Tode gekommen sei.
    Die Tante hatte ein von Mühsal ausgezehrtes Gesicht und sagte: »Die Menschen sind schon ganz glücklich, wenn sie nur was in den Bauch kriegen.«
    Sie schob so etwas wie Mochi-Reis unter die heiße Asche hinter der Feuerstelle. Rückhaltlos berichtete ich ihr alles, was mir bisher zugestoßen ist, und bat sie, mich eine Zeitlang aufzunehmen.
    Durch den Taifun war das Haus eingestürzt, und weil sie in einer Hütte lebte, hatte sie nur einen einzigen Raum, den man »Zimmer« nennen konnte. Weil ich todmüde war, bat ich:
    »Genug für heute; lassen Sie mich bitte zu Bett gehen.«
    Ich kroch in einen Lumpen, der nur dem Namen nach eine Matratze war, und versuchte zu schlafen, bekam aber kein Auge zu, vielleicht, weil ich zu erschöpft war.
    Nachdem sich auch die Tante schlafen gelegt hatte, überlegte ich, was ich nun tun sollte, und dachte an seine Liebe. Mutlos lag ich tränenüberströmt wach. Da war mir, als machte sich jemand draußen zu schaffen. Da, wo ich lag, gab es keinen Holzladen; nur eine papierbespannte Schiebetür trennte mich vom Freien. Ich schob sie leise auf und guckte raus. War das nicht mein Bruder, von dem ich mich vorhin verabschiedet hatte, der da stand?
    »Was machst du denn hier um diese Zeit?«
    »Ich hasse den Maurerbetrieb!« sagte er und weinte schluchzend.
    Ich ließ ihn also rein und fragte ihn aus. Er sagte, er sei mir heimlich nachgelaufen.
    »Wenn dir das so verhaßt ist, brauchst du nicht mehr hinzugehen. Ich werd schon was für dich tun.«
    Ich machte mir immer noch Illusionen über die Welt.
    Am andern Morgen bat ich die Tante:
    »Laß ihn bitte hier mitwohnen. Ich werde so viel Geld verdienen, wie er zum Essen braucht, und es bezahlen.«
    Ich ließ mich von der Tante zu der Bauholzfirma mitnehmen, wo sie arbeitete, und ließ mich einstellen. Nach einem Tag Arbeit war ich aber dermaßen kaputt, daß ich meinte, jeden Knochen am Leib einzeln zu spüren. Das war ein Leben, wie ich es mir bisher überhaupt nicht vorstellen konnte.
    Zu Mittag gibt es gekochte Kartoffeln zu essen, aber nicht mal Salz zum Draufstreuen. Das Abendessen nennt sich Yakimochi. Das ist zu Klößen geknetetes Mehl, aber nicht weiß wie das Nudelmehl in der Stadt, sondern aus Getreide samt Schale gemahlen, in der Glut der Feuerstelle geröstet, und man ißt das, indem man andauernd die Asche abklopft und fortbläst.
    Noch bis vor drei Tagen habe ich im Haus des Lonpari lauter leckere Sachen gegessen.
    ›Den Karpfen mag ich nicht, der schmeckt zu lehmig … Die Lachsforelle mag ich nicht, die riecht so stark nach Fisch‹,hatte ich gemäkelt. Ich bin völlig verwöhnt gewesen. Ich konnte noch so hungrig sein, den Fraß hier bekam ich nicht runter. Was die Tante mit den Worten »eine erstklassige Schlemmerei« auftischte, war in Scheiben geschnittener Rettich, und weil es auch hierzu weder Salz noch Sojasauce gab, hatte sie den Essig drangetan, der übrigbleibt, wenn die eingelegten Salzpflaumen alle sind.
    Die Leute, die in der Holzfabrik arbeiteten, brachten Yakimochi oder Kürbis als Pausenbrot mit.
    »Wenn man zufällig mal Reis zugeteilt kriegt, gibt's kein Salz und kein Miso-Bohnenmus. Was hab ich für Lust, mich mal an weißem Reis und Miso-Suppe satt zu essen!«
    »Meine Alten daheim sagen, sie wollen, bevor sie sterben, noch einmal Reis essen, in den man die Stäbchen reinstecken kann, ohne daß sie umfallen.«
    Bei solchen Gesprächen fiel ich von einer Verwunderung in die andere.
    Ich war körperlich so fix und fertig, daß ich weder stehen noch sitzen konnte und alle Glieder einzeln schmerzten. Obwohl ich so schwach war, daß ich beinahe umfiel, ging ich der Tante zuliebe zur Arbeit. Weil mir obendrein noch dieses Essen ungenießbar war, kam ich am dritten Tag schließlich nicht mehr vom Bett hoch und blieb der Arbeit fern. Offenbar hatte ich auch gehöriges Fieber. Während ich schläfrig im Bett

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