Die letzte Generation
es entsprach der Wahrheit. Es dauerte jedoch noch einen weiteren Monat, bis Jean das Auto wirklich verschmerzt und all die Dinge entdeckt hatte, die man mit seiner eigenen Küche machen konnte.
Neu-Athen war nicht natürlich und folgerichtig entstanden wie die Stadt, deren Namen es trug. Alles in der Kolonie war sorgfältig geplant und das Ergebnis langjähriger Studien einer Gruppe sehr bemerkenswerter Männer. Es hatte als offene Verschwörung gegen die Overlords begonnen, als eine stillschweigende Auflehnung gegen ihre Politik, wenn nicht gegen ihre Macht. Zunächst waren die Gründer der Kolonie mehr als zur Hälfte überzeugt gewesen, daß Karellen ihre Pläne durchkreuzen würde, aber der Oberkontrolleur hatte nichts unternommen, überhaupt nichts. Das war nicht ganz so beruhigend, wie man hätte erwarten können. Karellen hatte viel Zeit: Er konnte einen späteren Gegenschlag vorbereiten. Oder er war so fest von dem Mißlingen des Plans überzeugt, daß er es nicht für notwendig hielt, irgend etwas dagegen zu unternehmen.
Daß die Kolonie Schiffbruch erleiden würde, hatten die meisten Leute vorausgesagt. Aber in der Vergangenheit, lange bevor man etwas über soziale Dynamik wußte, hatte es ja auch viele Gemeinden gegeben, die besondere religiöse oder philosophische Ziele verfolgten. Gewiß, ihre Sterblichkeitsziffer war hoch gewesen, aber einige hatten weitergelebt. Und die Grundlagen von Neu-Athen waren so sicher, wie die moderne Wissenschaft sie machen konnte.
Es gab viele Gründe dafür, eine Insel als Sitz zu wählen. Nicht die unwichtigsten waren psychologischer Art. In einem Zeitalter des universalen Luftverkehrs bedeutete der Ozean als physikalische Grenze nichts, gab aber doch ein Gefühl der Abgeschlossenheit. Überdies machte eine begrenzte Landfläche es unmöglich, daß zu viele Menschen in der Kolonie lebten. Die Höchstzahl der Bevölkerung war auf etwa hunderttausend festgesetzt; wenn sie größer wäre, würden die Vorteile einer kleinen, engverbundenen Gemeinde verlorengehen. Eines der Ziele der Gründer war, daß jeder Bürger von Neu-Athen alle andern Bürger, die seine Interessen teilten, kennen sollte und auch ein oder zwei Prozent der übrigen.
Der Mann, der die treibende Kraft bei der Gründung von Neu-Athen gewesen war, hatte die Verwirklichung seines Traumes nicht mehr erlebt, denn er war drei Jahre vor der Entstehung der Kolonie gestorben.
Er war in Israel geboren, einer der letzten unabhängigen Nationen, die sich noch bildeten, und die also auch die kürzeste Lebensdauer gehabt hatten. Das Ende der nationalen Unabhängigkeit war hier vielleicht bitterer empfunden worden als anderswo, denn man trennt sich schwer von einem Traum, den man erst nach jahrhundertelangen Kämpfen verwirklicht hat.
Ben Salomon war kein Fanatiker, aber die Erinnerungen seiner Kindheit mochten in nicht geringem Umfang die Philosophie bestimmt haben, die er in die Praxis umsetzte. Er konnte sich noch erinnern, wie die Welt vor Ankunft der Overlords gewesen war, und er hatte nicht den Wunsch, zu jenem Zustand zurückzukehren. Gleich vielen andern klugen und wohlmeinenden Menschen wußte er alles zu schätzen, was Karellen für die menschliche Rasse getan hatte, während er über die endgültigen Pläne des Oberkontrolleurs noch immer besorgt war. Konnte es möglich sein, fragte er sich bisweilen, daß die Overlords, trotz all ihrer ungeheuren Intelligenz, die Menschheit nicht wirklich verstanden und aus besten Beweggründen einen furchtbaren Irrtum begingen? Vielleicht hatten sie in ihrer Leidenschaft für Gerechtigkeit und Ordnung beschlossen, die Welt zu reformieren, dabei aber nicht erkannt, daß sie die Seele des Menschen zerstörten.
Der Niedergang hatte kaum erst begonnen, aber die ersten Anzeichen des Verfalls waren nicht schwer zu entdecken. Salomon war kein Künstler, aber er hatte ein sicheres künstlerisches Urteil und wußte, daß sein Zeitalter die Leistungen früherer Jahrhunderte auf keinem einzigen Gebiet zu erreichen vermochte. Vielleicht würden sich die Dinge im Lauf der Zeit einrenken, wenn der Schock bei der Begegnung mit der Zivilisation der Overlords sich gemildert hätte. Aber es konnte auch anders kommen, und ein vorsichtiger Mann würde daran denken, eine Versicherungspolizze zu erwerben.
Neu-Athen beruhte auf dieser Politik. Seine Errichtung hatte zwanzig Jahre und einige Milliarden Dezimalpfund erfordert, also einen verhältnismäßig geringen Bruchteil des
Weitere Kostenlose Bücher