Die letzte Generation: Roman (German Edition)
sogar als inoffizielles Maskottchen angenommen, und inzwischen war er sehr geschickt darin, Berühmtheiten von Bühne und Leinwand, die zu Besuch kamen, mit Blumensträußen zu empfangen.
Ja, Jeff war ein völlig normaler Junge. Damit beruhigte sich George, wenn sie zusammen über das recht begrenzte Gebiet der Insel wanderten. Sie sprachen miteinander, wie Väter und Söhne es seit Anbeginn der Zeit getan hatten, außer dass es in diesem Zeitalter viel mehr zu besprechen gab. Obwohl Jeff die Insel nie verließ, konnte er durch die allgegenwärtigen Augen des Fernsehens alles von der umgebenden Welt sehen, was er sehen wollte. Wie alle Kolonisten empfand er eine leise Verachtung für die übrige Menschheit. Die Kolonie war die Elite, die Vorhut des Fortschritts. Sie würde die Menschheit auf die Stufe befördern, die die Overlords erreicht hatten – und vielleicht sogar darüber hinaus. Sicherlich noch nicht morgen, aber eines Tages ...
Sie ahnten nicht, dass dieser Tag allzu schnell kommen sollte.
18
D ie Träume begannen sechs Wochen später.
In der Dunkelheit der subtropischen Nacht schwamm George Greggson langsam aufwärts, dem Bewusstsein entgegen. Er wusste nicht, was ihn geweckt hatte, und für einen Augenblick lag er verwirrt und benommen da. Dann bemerkte er, dass er allein war. Jean war aufgestanden und lautlos ins Kinderzimmer gegangen. Sie sprach leise mit Jeff, so leise, dass er nicht verstehen konnte, was sie sagte.
George erhob sich aus dem Bett und folgte ihr. Ihre Tochter hatte des öfteren nächtliche Ausflüge unternommen, doch da war es kein Problem gewesen, dass George während der Unruhe weitergeschlafen hatte. Diesmal war es etwas anderes, und er fragte sich, was Jean beunruhigt haben mochte.
Das einzige Licht im Kinderzimmer kam von der Fluoreszenzfarbe an den Wänden. Im matten Schimmer konnte er Jean neben Jeffs Bett sitzen sehen. Sie drehte sich um, als er hereinkam, und flüsterte: »Weck die Kleine nicht auf!«
»Was ist los?«
»Ich wusste, dass Jeff mich braucht. Dadurch bin ich aufgewacht.«
Die nüchterne Einfachheit dieser Erklärung rief in George ein Gefühl banger Befürchtung hervor. Ich wusste, dass Jeff mich braucht. Wie konnte sie das wissen, fragte er sich, sagte aber nur: »Hat er Albträume gehabt?«
»Ich weiß es nicht genau«, antwortete Jean. »Jetzt scheint wieder alles mit ihm in Ordnung zu sein. Aber er war verängstigt, als ich hereinkam.«
»Ich hatte keine Angst, Mami!«, sagte eine empörte junge Stimme. »Aber da war es so merkwürdig.«
»Wo?«, fragte George. »Was war merkwürdig? Erzähl mir alles darüber.«
»Da waren Berge«, sagte Jeff verträumt. »Sie waren sehr hoch, aber es lag kein Schnee darauf, wie auf den Bergen, die ich sonst gesehen habe. Einige davon brannten.«
»Du meinst ... es waren Vulkane?«
»Nein, sie waren anders. Sie brannten überall, mit seltsamen blauen Flammen. Und während ich sie sah, ging die Sonne auf.«
»Weiter. Warum zögerst du?«
Jeff sah seinen Vater verwirrt an. »Das ist das andere, was ich nicht verstehe, Papi. Sie ging so schnell auf, und sie war viel zu groß. Und ... die Farbe war falsch. Es war ein wunderschönes Blau.«
Es folgte ein tiefes Schweigen, bei dem George eiskalt wurde. »Ist das alles?«, fragte er schließlich.
»Ja. Dann fühlte ich mich einsam, und dann kam Mami und weckte mich.«
George fuhr mit einer Hand durch das zerzauste Haar seines Sohnes, während er mit der anderen den Schlafanzug fester um sich zog. Er fühlte sich plötzlich sehr kalt und sehr klein. Aber in seiner Stimme war nichts davon anzumerken, als er zu Jeff sagte: »Das war nur ein dummer Traum. Du hast heute Abend zu viel gegessen. Vergiss alles und schlaf weiter.«
»Das will ich tun, Papi«, erwiderte Jeff. Er hielt einen Augenblick inne, dann fügte er nachdenklich hinzu: »Ich glaube, ich werde wieder versuchen, dorthin zu gehen.«
»Eine blaue Sonne?«, fragte Karellen wenige Stunden später. »Das dürfte die Identifizierung sehr leicht gemacht haben.«
»Ja«, erwiderte Rashaverak. »Es ist zweifellos Alphanidon Zwei. Die Schwefelberge bestätigen diese Vermutung. Und die Verzerrung des Zeitablaufs ist sehr interessant. Der Planet rotiert ziemlich langsam, er muss also in wenigen Minuten viele Stunden beobachtet haben.«
»Das ist alles, was Sie feststellen konnten?«
»Ja, ohne das Kind unmittelbar zu befragen.«
»Das dürfen wir nicht tun. Die Ereignisse müssen ohne unsere
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