Die letzte Generation: Roman (German Edition)
aber ohne jede andere Empfindung auf sie herab. Es war seltsam, wie sehr man sich in so kurzer Zeit verändern konnte. Er hatte Jean gern. Sie hatte seine Kinder geboren und war ein Teil seines Lebens. Aber wie viel war von der Liebe übrig geblieben, die eine nicht sehr deutlich in Erinnerung gebliebene Person namens George Greggson einstmals für einen entschwindenden Traum namens Jean Morrel empfunden hatte? Seine Liebe teilte sich nun zwischen Jeff und Jennifer einerseits und Carolle andererseits auf. Er glaubte nicht, dass Jean von Carolle wusste, und er hatte die Absicht, mit ihr darüber zu sprechen, ehe es jemand anderer tat. Aber irgendwie hatte er sich nie dazu durchringen können.
»Also gut, Jeff wird beobachtet, anscheinend sogar beschützt. Meinst du nicht, dass wir stolz darauf sein sollten? Vielleicht haben die Overlords eine großartige Zukunft für ihn geplant. Wenn ich nur wüsste, welche ...«
Er war sich bewusst, dass er so redete, um Jean zu beruhigen. Er selbst war nicht sehr besorgt, nur verwundert und erstaunt, und ganz plötzlich kam ihm ein neuer Gedanke, der ihm eigentlich schon früher hätte einfallen müssen. Seine Augen wandten sich automatisch dem Kinderzimmer zu.
»Und ich wüsste gerne, ob es nur Jeff betrifft«, sagte er.
Zu gegebener Zeit legte der Inspektor seinen Bericht vor. Die Inselbewohner hätten viel darum gegeben, ihn zu sehen. Alle Statistiken und Berichte wanderten in die unersättlichen Gedächtnisse der großen Rechenmaschinen, die einige, aber längst nicht alle der unsichtbaren Kräfte hinter Karellen darstellten. Noch bevor diese unpersönlichen elektrischen Gehirne jedoch zu ihren Schlussfolgerungen gekommen waren, hatte der Inspektor seine eigenen Empfehlungen ausgesprochen. In den Gedanken und der Sprache der Menschen ausgedrückt, hätten sie etwa folgendermaßen gelautet:
»Wir müssen keine Schritte hinsichtlich der Kolonie unternehmen. Es ist ein interessantes Experiment, aber es kann sich nicht auf die Zukunft auswirken. Die künstlerischen Bemühungen gehen uns nichts an, und es gibt keinen Beweis, dass die wissenschaftlichen Forschungen gefährliche Bahnen einschlagen.
Wie geplant, konnte ich die Schulberichte über Kandidat Zero einsehen, ohne Aufsehen zu erregen. Die relevanten Statistiken sind angefügt, und es wird ersichtlich, dass bisher keine Anzeichen einer ungewöhnlichen Entwicklung zu bemerken sind. Aber wie wir wissen, kündigt sich ein Durchbruch selten vorher an.
Ich bin auch dem Vater des Kandidaten begegnet und hatte den Eindruck, dass er mit mir sprechen wollte. Glücklicherweise konnte ich das vermeiden. Ohne Zweifel argwöhnt er etwas, obwohl er natürlich niemals die Wahrheit erraten oder in irgendeiner Weise den Verlauf beeinflussen kann.
Ich habe immer mehr Mitleid mit diesen Menschen.«
George Greggson hätte dem Urteil des Inspektors zugestimmt, dass an Jeff nichts Ungewöhnliches zu bemerken war. Es gab nur den einen erstaunlichen Zwischenfall, der so unverhofft wie ein Blitz aus heiterem Himmel gekommen war. Danach war alles wieder normal.
Jeff besaß die gleiche Energie und Neugier wie jeder andere siebenjährige Junge. Er war intelligent – er konnte es sein, wenn er sich Mühe gab –, doch es bestand keine Gefahr, dass er zu einem Genie wurde. Manchmal dachte Jean mit leichter Erschöpfung, dass er in jeder Hinsicht die klassische Definition erfüllte, nach der ein kleiner Junge »eine von Schmutz umgebene Lärmquelle« war. Nur dass sich der Schmutz häufig nicht allzu genau bestimmen ließ, weil er sich kaum von Jeffs Sonnenbräune unterschied.
Er konnte abwechselnd liebevoll oder missgelaunt sein, zurückhaltend oder übersprudelnd. Es gab kein Anzeichen, dass er ein Elternteil gegenüber dem anderen bevorzugte, und die Ankunft seiner kleinen Schwester schien keinerlei Eifersuchtsgefühle in ihm geweckt zu haben. Seine Patientenakte war makellos, er war in seinem Leben keinen einzigen Tag lang krank gewesen. Aber in diesen Zeiten und in einem solchen Klima war das nichts Ungewöhnliches.
Im Gegensatz zu anderen Jungen reagierte Jeff nicht so schnell gelangweilt auf die Gesellschaft seines Vaters, und er flüchtete sich nicht bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu gleichaltrigen Spielgefährten. Es war offensichtlich, dass er Georges künstlerische Begabung teilte. Sobald er Laufen gelernt hatte, trieb er sich regelmäßig hinter den Kulissen des Theaters der Kolonie herum. Das Theater hatte ihn
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