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Die letzte Generation

Die letzte Generation

Titel: Die letzte Generation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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wußte ich fast mit Sicherheit, daß die Kinder Ihrer Frau die ersten sein würden.«
    »Aber wir waren damals noch nicht verheiratet. Wir hatten nicht einmal –«
    »Ja, ich weiß. Aber Fräulein Morrels Geist war der Kanal, der, wenn auch nur für einen Augenblick, ein Wissen durchließ, das zu jener Zeit kein Lebender besitzen konnte. Es konnte nur von einem anderen Geist kommen, der eng mit dem ihren verbunden war. Die Tatsache, daß es ein noch ungeborener Geist war, hatte keine Bedeutung, denn Zeit ist sehr viel sonderbarer, als Sie annehmen.«
    »Ich beginne zu begreifen. Jeff weiß diese Dinge. Er kann andere Welten sehen und kann sagen, woher Sie kommen. Und irgendwie hat Jean seine Gedanken aufgefangen, noch ehe er geboren war.«
    »Es hängt noch viel mehr damit zusammen, aber ich glaube nicht, daß Sie der Wahrheit jemals viel näher kommen werden. In der ganzen Geschichte hat es immer wieder Menschen mit unerklärlichen Kräften gegeben, die Raum und Zeit zu durchdringen schienen. Sie haben diese Kräfte nie verstanden: fast ohne Ausnahme waren ihre Erklärungsversuche Unsinn. Ich dürfte es wissen – ich habe genug darüber gelesen.
    Aber es gibt einen Vergleichsfall, der – nun sagen wir: suggestiv und hilfreich ist. Er kommt wieder und wieder in Ihrer Literatur vor. Stellen Sie sich vor, daß der Geist jedes Menschen eine vom Ozean umgebene Insel ist. Jeder erscheint isoliert, in Wirklichkeit aber sind alle verbunden durch das Fundament, von dem sie stammen. Wenn der Ozean verschwände, wäre es das Ende der Inseln. Sie würden alle Teile eines Kontinents sein, aber ihre Besonderheit wäre vergangen.
    Gedankenübertragung, wie Sie es genannt haben, ist etwas Ähnliches. Unter angemessenen Umständen können die Gedankenwelten einiger Menschen miteinander verschmelzen und sich ihren Inhalt gegenseitig mitteilen; sie nehmen die Erinnerung an dieses Erlebnis mit, wenn sie wieder isoliert sind. In der höchsten Form ist diese Kraft nicht den gewöhnlichen Begrenzungen durch Zeit und Raum unterworfen. Daher konnte Jean aus dem Wissen ihres ungeborenen Sohnes schöpfen.«
    Ein langes Schweigen folgte, während George mit diesen verblüffenden Gedanken rang. Die Idee begann Formen anzunehmen. Es war eine unglaubliche Idee, aber sie hatte ihre eigene, angestammte Logik. Und sie erklärte, wenn dieses Wort für etwas so Unfaßliches anzuwenden war, alles, was seit jenem Abend in Rupert Boyces Hause geschehen war. Sie erklärte auch, wie er jetzt erkannte, Jeans eigene Neugier nach dem Übernormalen.
    »Wodurch wurde dies in Gang gesetzt?« fragte George. »Und wohin wird es führen?«
    »Das können wir nicht beantworten. Aber es gibt viele Rassen im Universum, und einige von ihnen entdeckten diese Kräfte, lange bevor Ihre Art – oder die meine – auf dem Schauplatz erschien. Sie haben darauf gewartet, daß Sie sich ihnen anschließen, und jetzt ist diese Zeit gekommen.«
    »Und wann kommt Ihr Auftritt?«
    »Wahrscheinlich haben Sie, gleich den meisten Menschen, uns immer als Ihre Herren und Meister angesehen. Das stimmt nicht. Wir sind nie mehr als Wächter gewesen, die eine Pflicht erfüllt haben, die uns von – oben auferlegt worden war. Diese Pflicht ist schwer zu erklären. Vielleicht können Sie sich uns am besten als Hebammen vorstellen, die einer schwierigen Geburt beiwohnen. Wir helfen dabei, etwas Neues und Wundervolles zur Welt zu bringen.«
    Raschaverak zögerte; einen Augenblick schien es, als fehlten ihm die Worte. »Ja, wir sind die Hebammen. Aber wir selbst sind unfruchtbar.«
    In diesem Augenblick wußte George, daß er Zeuge einer Tragödie war, die seine eigene übertraf. Es war unglaublich, und doch irgendwie richtig. Trotz all ihrer Kräfte und ihrer Macht waren die Overlords in irgendeiner engen Sackgasse der Entwicklung gefangen. Hier war eine große, edle Rasse, in fast allen Dingen der Menschheit überlegen, und doch hatte sie keine Zukunft und war sich dessen bewußt. Angesichts dieser Tragödie erschienen George seine eigenen Probleme auf einmal alltäglich.
    »Jetzt weiß ich«, sagte er, »warum Sie Jeffrey beobachtet haben. Er war das Versuchskaninchen bei diesem Experiment.«
    »Sehr richtig, obwohl das Experiment außerhalb unserer Kontrolle war. Wir haben es nicht begonnen, wir haben nur versucht, es zu beobachten. Wir haben uns nicht eingemischt, außer wenn wir es mußten.«
    Ja, dachte George, die Sturmflut. Man durfte nie ein wertvolles Exemplar zerstören lassen.

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