Die letzte Generation
Bescheid wissen.«
»Ja, darüber wissen wir Bescheid.«
»Ich habe nie angenommen, daß sie einfach Phantasien eines Kindes wären. Sie waren so unglaublich, daß sie – ich weiß, das klingt lächerlich – auf irgendeiner Wirklichkeit beruhen mußten.«
Er sah Raschaverak besorgt an und wußte nicht, ob er auf eine Bestätigung oder eine Verneinung hoffte. Der Overlord sagte nichts und sah ihn nur mit seinen großen, ruhigen Augen an. Sie saßen sich fast Auge in Auge gegenüber, denn der Raum, der offensichtlich für solche Unterredungen entworfen worden war, hatte zwei verschiedene Fußböden, und der mächtige Stuhl des Overlords stand einen guten Meter tiefer als Georges Stuhl. Es war als freundliche Geste gedacht, beruhigend für die Männer, die solche Zusammenkünfte erbaten und denen selten leicht ums Herz war.
»Wir waren anfangs besorgt, aber nicht wirklich beunruhigt. Jeff erschien, wenn er aufwachte, völlig normal, und seine Träume störten ihn offenbar nicht. Und dann eines Nachts …« Er zögerte und sah den Overlord beschwörend an. »Ich habe nie an das Übernatürliche geglaubt. Ich bin kein Wissenschaftler, aber ich nehme an, daß es eine vernünftige Erklärung für alles gibt.«
»Die gibt es«, sagte Raschaverak. »Ich weiß, was Sie gesehen haben. Ich habe es beobachtet.«
»Das habe ich immer vermutet. Aber Karellen hatte versprochen, daß Sie uns nie mit Ihren Instrumenten belauern würden. Warum haben Sie dieses Versprechen gebrochen?«
»Ich habe es nie gebrochen. Der Oberkontrolleur sagte, die menschliche Rasse würde nicht länger unter Aufsicht stehen. Dieses Versprechen haben wir gehalten. Ich habe Ihre Kinder beobachtet, nicht Sie.«
Es dauerte mehrere Sekunden, bis George den Sinn von Raschaveraks Worten begriff. Dann wich langsam die Farbe aus seinem Gesicht. »Sie meinen …«, ächzte er. Seine Stimme versagte, und er mußte neu beginnen. »Ja, was in Gottes Namen sind meine Kinder?«
»Das«, sagte Raschaverak feierlich«,versuchen wir zu entdecken.«
Jennifer Anne Greggson, bisher Püppi genannt, lag mit fest geschlossenen Augen auf dem Rücken. Sie hatte sie nicht geöffnet; sie würde sie nie wieder öffnen, denn das Sehen war jetzt ebenso überflüssig für sie wie für die mit vielen Sinnen ausgestatteten Geschöpfe der lichtlosen Ozeantiefen. Sie nahm die Welt, die sie umgab, wahr, ja sie nahm viel mehr wahr als das.
Durch irgendeine unberechenbare Laune der Entwicklung war ein Reflex aus ihrer kurzen Säuglingszeit geblieben. Die Klapper, die sie einst entzückt hatte, ertönte jetzt unaufhörlich aus* ihrem Bettchen in einem verwickelten, immer wieder sich ändernden Rhythmus. Diese seltsame Synkopierung hatte Jean aus dem Schlaf gerissen und sie ins Kinderzimmer stürzen lassen. Aber nicht dieser Ton allein hatte sie veranlaßt, nach George zu schreien.
Schuld daran war der Anblick dieser gewöhnlichen bunten Klapper, die einen halben Meter entfernt in luftiger Höhe unentwegt klapperte, während Jennifer Anne, die drallen Finger fest zusammengepreßt, mit einem Lächeln dalag.
Sie hatte später begonnen, aber sie machte schnelle Fortschritte. Bald würde sie ihren Bruder überholen, denn sie brauchte weniger zu verlernen.
»Sie haben klug daran getan«, sagte Raschaverak, »ihr Spielzeug nicht zu berühren. Ich glaube nicht, daß Sie es hätten bewegen können. Aber wenn es Ihnen geglückt wäre, hätte es sie vielleicht geärgert, und ich weiß nicht, was dann geschehen wäre.«
»Meinen Sie«, fragte George dumpf, »daß Sie nichts tun können?«
»Ich will Sie nicht täuschen. Wir können studieren und beobachten, wie wir es bereits tun. Aber wir können uns nicht einmischen, weil wir es nicht verstehen können.«
»Was sollen wir denn machen? Und warum ist uns dies geschehen?«
»Es mußte irgend jemandem geschehen. Sie haben nichts Außergewöhnliches an sich, nicht mehr als das erste Neutron, das die Kettenreaktion einer Atombombe beginnt. Es ist einfach zufällig das erste. Jedes andere Neutron hätte dazu auch dienen können, genau wie es statt Jeffrey irgendein Knabe in der Welt hätte sein können. Wir nennen es den Völligen Durchbruch. Wir brauchen jetzt nichts geheimzuhalten, und darüber bin ich sehr froh. Wir haben, seit wir zur Erde gekommen sind, darauf gewartet, daß gerade dies geschehen würde. Man konnte nicht sagen, wann und wo es beginnt, bis wir uns rein durch Zufall auf der Party bei Rupert Boyce begegneten. Da
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