Die letzte Lagune
hat.»
«Wenn er das
Versteck gefunden hat, müsste er frische Spuren hinterlassen
haben.»
«Sie meinen,
wenn er bei seiner Suche den Fußboden oder eine Wand
aufgestemmt hat?»
«Irgendetwas in
der Art wird er wohl getan haben.»
Tron schüttelte
den Kopf. «Nicht unbedingt. Flyte hat eine ganze Woche in
der Casa dei
Tuffi logiert. Er hatte genug Zeit, die
Spuren seiner Suche zu tilgen. Die Frage ist, ob er überhaupt
etwas gefunden hat.»
«Glauben Sie,
dass die Geschichte stimmt, die er Alberti erzählt hat? Dass
er mit seinem Sandalo in der nördlichen Lagune herumgefahren
ist und sich rein zufällig auf dem Gelände des Pachthofs
die Füße vertreten hat?»
«Ja, Bossi. Ich
denke, dass seine Geschichte stimmt. Ich glaube tatsächlich,
dass er zufällig hier gelandet ist und erstaunt war, dass
dieser Pachthof den Trons gehört.»
«Was aber noch
lange nicht sein Interesse an der Casa dei Tuffi erklärt. Dass
Zanetto Tron die Absicht hatte, seine Beute am Rand der
nördlichen Lagune zu verstecken, stand erst in den
allerletzten Aufzeichnungen.»
«Das ist
richtig», sagte Tron. «Es gibt aber einen Unterschied
zwischen dieser letzten Aufzeichnung und den Aufzeichnungen, die
Zanetto Tron davor angefertigt hat.»
«Und
welchen?»
«Flyte hat immer
betont, dass der Zustand der Tagebuchseiten sehr schlecht ist.
Brüchiges Pergament, verschmierte Tinte, Löcher durch
Insektenfraß, sodass ganze Wörter, zum Teil auch wohl
ganze Sätze fehlten, die mühsam rekonstruiert werden
mussten. Deshalb kam er auch so außerordentlich langsam
voran.»
«Aber der
Zustand des letzten Teils der Aufzeichnungen, die wir bei Contarini
gefunden haben, war doch gut.»
Tron nickte.
«Genau, Bossi. Die hatte er mit Sicherheit bereits gelesen
und sich daran erinnert, als er mit Signor Alberti gesprochen hat.
Deshalb ist er so aufgeregt gewesen und hat alle diese Fragen
gestellt.»
«Und was sind
das für bunte Hefte, die Flyte hier vergessen
hat?»
«Englische
Heftromane, die nur ein paar Pennys kosten», sagte Tron.
«Für einen Gelehrten wie Flyte ist das eine ziemlich
seltsame Lektüre.»
«Diese Romane
sind also nicht besonders anspruchsvoll?»
«Diese Dinger
heißen Penny Dreadfuls - furchtbare Romane.
Furchtbar, weil sie von furchtbaren Dingen handeln und weil sie
furchtbar geschrieben sind.»
«Wie kommt
jemand wie Dr. Flyte dazu, ausgerechnet solche Romane zu
lesen?»
Tron zuckte die
Achseln. «Warum essen reiche Fremde, die im Danieli logieren,
geröstete Maronen und Frittolini auf der Piazza? Im Stehen und
aus einer zusammengerollten Zeitung?»
«Vermutlich,
weil Austern und Trüffel irgendwann langweilig
werden.»
Tron nickte.
«Genau. Wenn Sie den ganzen Tag über die Kreuzzüge
forschen und lateinische Dokumente lesen müssen, bekommen Sie
irgendwann Appetit auf etwas ganz anderes. Aber interessant
ist, was Flyte da ausgewählt
hat. Varney
the Vampire, The Necklace of Death, The Grail Hunter. Der
Gralsjäger.»
«Eine
Geschichte, die sich mit dem Gral
beschäftigt?»
«Offenbar. Ich
kenne dieses Heftchen nicht.»
«Halten Sie das
auch für einen Zufall, Commissario?»
«Das ist eine
philosophische Frage», sagte Tron. «Im Moment
interessiert mich eher, wie die Wände und die
Fußböden der Casa dei Tuffi aussehen.»
Wie die Casa dei
Tuffi von
außen aussah, wurde mit jedem Schritt, den sie durch den
Schnee stapften, deutlicher. Das Haus wirkte ausgesprochen trivial,
eine schmucklose Schachtel mit flachem Giebeldach, dessen Konturen
sich undeutlich vom Grau des Himmels abhoben. Hinter dem Haus
begannen Marschwiesen, die an den Ausläufern der Lagune
endeten - einem Labyrinth von schilfbewachsenen Inseln, das Tron an
einem Sommertag vor mehr als vierzig Jahren mit seinem Vater auf
ihrem Ausflug zur Casa dei Tuffi durchquert hatte. An
das Haus erinnerte er sich nicht, aber an ganze Scharen von Enten,
die schnatternd aufgeflogen waren, als ihr Sandalo das Schilf der
Inseln gestreift hatte. Jetzt flogen lediglich ein paar Möwen
über ihre Köpfe hinweg, und selbst über die, dachte
Tron, war man unter diesen Umständen schon froh. Die
Möwen stießen ihr schrilles Kreischen aus, und er fragte
sich wieder, wo sie in dieser Eiswüste Nahrung
fanden.
An Ort und Stelle
erwies sich die Casa dei Tuffi als ein gelblich
verputztes Haus mit einem Dach aus schadhaften Coppa-Ziegeln und
einem Schornstein aus unverputzten Backsteinen. Es schien in einem
besseren Zustand als das Gebäude, das von den Albertis
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