Die letzte Lagune
seine
Verlobte wirklich gut genug, um notfalls die Elsa zu
singen?»
«In Bossis Augen
ist Signorina Belli die neue Malibran. Aber dass die zweite
Besetzung zum Zug kommt, ist unwahrscheinlich.»
«Der Schwan, der
Gral und eine frustrierte Gattin», sagte die Principessa.
«Im Grunde alles ein Witz. Aber die Leute lieben solche
Geschichten.» Sie nahm eine Zigarette aus ihrem Etui und
betrachtete sie nachdenklich. «Hast du ihn eigentlich
getroffen, als er in Venedig war?»
«Wen?»
«Richard
Wagner.»
Tron nickte.
«Nur kurz. Er wollte unser Obergeschoss mieten. Aber die
Tapete hat ihm nicht gefallen. Er ist dann in den Palazzo
Giustiniani gezogen. Das muss im Sommer 1858 gewesen
sein.»
«Was hat er
für einen Eindruck auf dich gemacht?»
«Charmant,
witzig. Ziemlich anspruchsvoll, obwohl er damals wohl pleite war.
Bossi kann gar nicht genug von unserer Begegnung hören. Das sind die Dinge, die
ihn beschäftigen. Da ist in seinem Kopf kein Platz mehr
für Diebstähle von Eisbechern aus
Pressglas.»
Die Principessa
gähnte. «Und nun? Irgendetwas musst du ja unternehmen.
Schon der Contessa wegen.»
«Was sollte ich,
bitte schön, unternehmen? Hast du einen
Vorschlag?»
Aber auch die
Principessa schien kein sonderliches Interesse an dem Einbruch
aufzubringen. Sie zündete sich die Zigarette an und blies eine
Rauchwolke über den Tisch. Dann sagte sie: «Wie viele
Seiten von dem Tagebuch hast du noch?»
Tron musste lachen.
«Wenige. Flyte schreibt, die Fortsetzung kommt in der
nächsten Woche.»
«Und wo waren
wir stehengeblieben?»
«Am 1. Oktober
1202.»
«Dann würde
ich dir vorschlagen weiterzulesen.»
8
2.10. (an
Bord)
Seit sechs Stunden
auf See. Bohrende Kopfschmerzen. Die letzte Nacht entgegen meinen
ursprünglichen Absichten doch bei Annunziata verbracht. A.
reizend zu mir, fast hätte ich ihr Mamas Ring geschenkt. Dann
Aufbruch im Morgengrauen zum Palazzo Tron, tränenreicher
Abschied von Papa und Mama, schleimiger Händedruck von Marino.
Anschließend zum Molo. Unser Flaggschiff, rot bemalt und mit
dem karmesinroten Zelt des Dogen auf dem Deck, lag direkt am Kai.
Auf Piazza und Piazzetta unglaubliches Gedränge,
sämtliche Dächer mit Leuten besetzt, die sich die
Ausschiffung nicht entgehen lassen wollten. Das ganze Bacino di San
Marco dicht bedeckt mit Galeeren, Lastseglern und uscieri, an den
Schiffswänden die Schilde der Kreuzfahrerbarone, jeder Mast
bunt beflaggt. Kurz vor dem Ablegen las der Doge eine Botschaft des
Papstes vor, und Bonifaz von Montfort (ein arroganter Hohlkopf)
sprach ein paar französische Worte. Dann stimmte die riesige
Volksmenge das Veni Creator an, nicht ganz im Takt, aber
eindrucksvoll.
Meine Kabine direkt
über dem Ruderdeck. Das Knarren der Ruder in den Dollen schwer
zu ertragen.
3.10.
Seekrank.
Hätte nie gedacht, dass mir das passieren würde. Lebe von
Feigen und Wasser, liege in der Hängematte und starre an die
Decke.
Fühle mich
sterbenselend. Hätte mich ohne meine Schulden nie auf dieses
Unternehmen eingelassen. Wahrscheinlich weiß Papa inzwischen
Bescheid und hat die ausstehenden Summen zähneknirschend
beglichen. Eines ist jedenfalls klar. Ich kann mich ohne fette
Beute in Venedig nicht wieder blicken lassen.
Das Knarren unter
mir so laut, als würde es in meinem Kopf stattfinden. Schon
erwogen, in Zukunft auf Deck zu schlafen. Aus Protest gegen diese
miese Kabine.
Dandolo hat mich
immer noch nicht rufen lassen. Vielleicht hat ihm jemand von meiner
Verfassung berichtet.
4.10.
Wieder
einigermaßen bei Kräften. Kommen kaum voran. Regen. Zu
Mittag Fisch, unauffällig drei Glas Falerner dazu geleert.
Öde Gespräche mit den balestrieri della poppa, den
Bogenschützen des Achterdecks, die ebenfalls am Tisch des
Kapitäns speisen. Landsknechte mit Fliehstirnen, grauenhafte
Sprache. Dann Rundgang, geführt von unserem Hauptnavigator,
dem homo di
conseio. Die
Galleante ist das größte Schiff der Flotte. Sie hat drei
Masten, achtzig Ruderer, hundert Marinesoldaten, vierzig Matrosen
und zwanzig Offiziere. Dazu einen dicken Priester, Pater Francesco,
sympathisch. Jeder führt alles Mögliche mit sich, um in
den Häfen private Geschäfte damit zu machen. Hätte
ich das nur gewusst! Pater Francesco hat eine Kiste voller
Glaskreuze in seiner Kabine, will sie gegen Damaszenerklingen
eintauschen.
Stelle fest, dass
ich den Seegang besser vertrage, wenn ich einen leichten Spitz
habe. Darf allerdings nicht zu viel trinken.
Immer noch
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