Die letzte Lagune
konnte.»
«Im Mordfall
Petrelli?»
Spaur seufzte.
«Der Bruder der Baronin ist in Padua verhaftet worden. Sie
haben Flugblätter bei ihm entdeckt. Der Hofrat konnte
erreichen, dass er vorläufig freigelassen
wurde.»
«Woher wusste
Lodron, dass der Bruder der Baronin verhaftet worden
ist?»
«Von mir»,
sagte Spaur. «Ich hatte mich sofort an ihn gewandt. Sie sehen
also, dass ich allen Grund habe, dem Hofrat meinerseits behilflich
zu sein. Und Lodron hat denselben Wunsch wie Contarini. Er
hält die Anwesenheit von Flyte in Venedig für
hinderlich.»
«Contarini ist
der Ansicht, dass die Kirche den ersten Zugriff auf die
Tagebücher hat, wenn Flyte aus dem Weg ist.»
«Vielleicht in
Rom, aber nicht in Venedig. Doch das können die Herren unter
sich ausmachen. Jedenfalls sollten Sie mit Flyte reden und
feststellen, ob er ein Alibi für den Mord an Petrelli
hat.» Spaur sah Tron drohend an. «Ich könnte den
Fall notfalls persönlich übernehmen.»
«Dass es Flyte
war, der Petrelli getötet haben könnte, ist eine ziemlich
abwegige Theorie von Mr. Marchmain.»
«Der Hofrat fand
sie einleuchtend, und ich hielt es nicht für opportun, ihm zu
widersprechen», sagte Spaur. Wieder stieß er einen
Seufzer aus. «Ganz abgesehen davon, dass der Bruder der
Baronin jederzeit wieder verhaftet werden kann.»
«Hat Lodron das
angedeutet?»
«Er wollte es
nicht ausschließen», sagte Spaur unwirsch. «Der
Hofrat ist nicht allmächtig.» Er räusperte sich
nervös. «Im Übrigen will er Sie
kennenlernen.»
Das, dachte Tron,
wollte er auch. Nachdem Contarini Spaur mit der Bigamie-Geschichte
in die Zange genommen hatte, stand er jetzt auch noch von
weltlicher Seite unter Beschuss. Dass die Verhaftung von Spaurs
Schwager rein zufällig erfolgt war, schien unwahrscheinlich.
Tron wusste nicht, wie weit die Sondervollmachten Lodrons gingen,
aber wer im Militärarchiv Akten verschwinden ließ,
konnte auch für Verhaftungen sorgen. Und Flugblätter
ließen sich leicht unterschieben. Spaur saß also in der
Falle und musste das tun, was Lodron von ihm verlangte.
«Ich hatte
ohnehin die Absicht, mich bei dem Hofrat dafür zu bedanken,
dass er uns von falschen Spuren abhalten wollte», sagte
Tron.
«Lodron
würde sich freuen, Sie morgen Nachmittag im Danieli zu sehen.
Er bewohnt meine alte Suite. Es wäre schön, wenn Sie
vorher ein Gespräch mit Dr. Flyte führen könnten.
Falls er kein Alibi hat, arretieren Sie ihn.»
«Und wenn Flyte
ein Alibi hat?»
«Dann werden wir
sein Alibi überprüfen müssen. Das wird ein paar Tage
dauern. Auch dann sollten wir Flyte in der Questura
unterbringen.»
«Ich soll ihn
also in jedem Fall verhaften?»
«Versichern Sie
ihm, dass eine vorläufige Verhaftung keine Anklage
darstellt», sagte Spaur. «Wenn sein Alibi einer
Überprüfung standhält, setzen wir ihn wieder auf
freien Fuß.»
22
Der Mann mit der
Pestmaske stand in der Dunkelheit des sottoportego und wartete. In der
Kälte gefror sein Atem und überzog die Innenseite der
Maske mit einer dünnen Eisschicht. Er trug einen wollenen
Umhang, an den Füßen weiche Lederstiefel, in denen er
sich notfalls schnell bewegen konnte. Die Pestmaske mit dem
auffälligen Vogelschnabel hatte er mit Bedacht gewählt.
Wenn etwas Ungeplantes passierte, würde man sich an diese
Maske erinnern - an nichts anderes. Er hatte sie in den Arkaden der
alten Prokurazien aufgesetzt und auf dem Weg zur Calle del Pozzo
befriedigt festgestellt, dass er nicht der Einzige war, der sich
maskiert durch die Stadt bewegte. Piazza und Piazzetta waren trotz
des strenges Frostes voller Maskierter, die nicht gewillt waren,
sich ihre Karnevalslaune durch die Eiseskälte verderben zu
lassen. Das konnte er verstehen, auch er war entschlossen, sich
seine Laune nicht länger verderben zu
lassen.
Flyte hatte das Haus
in der Calle del Pozzo vor einer knappen Stunde verlassen und dabei
einen großen Umschlag in der Hand gehabt. Er hätte gerne
gewusst, was sich in dem Umschlag befand, aber als Flyte näher
kam, waren aus der anderen Richtung zwei Leutnants der Kroatischen
Jäger aufgetaucht. Also hatte er die Exekution verschoben, die
Derringer wieder in die Tasche seines Umhangs versenkt und war
zurück in die Schwärze des Hauseingangs
getreten.
Seinen zunächst
erwogenen Plan, Flyte unauffällig zu folgen und ihn in einer
dunklen Ecke zu erledigen, hatte er fallengelassen. Eine
unauffällige Verfolgung setzte Deckung durch Passanten voraus,
doch in Gassen,
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