Die letzte Lagune
noch
ein wenig die Taschen füllen. «So eine Gelegenheit kommt
nie wieder.» Konnte ihm nur recht geben.
44
Tron legte das Blatt,
von dem er gelesen hatte, ab und registrierte, dass seine Finger
eiskalt waren. Flytes gusseiserner Ofen war erloschen, und die
Kälte drang von allen Seiten auf ihn ein. Von San Maurizio
schlug es acht.
«Und?» Der
Ispettore sah Tron ungeduldig an.
«Das ist es
gewesen», sagte Tron. Er bezweifelte, dass das Wort Pauschalbetrag zum Wortschatz eines
Teilnehmers am vierten Kreuzzug gehörte. Andererseits, fand
er, waren es gerade die behutsamen Modernisierungen, die den Text
Zanetto Trons in der Übersetzung so lebendig
machten.
«Also hat
Zanetto Tron es geschafft?»
«Wir würden
diese Zeilen kaum lesen, wenn er es nicht geschafft
hätte», sagte Tron. «Interessant ist der Brief des
Papstes. Innozenz war offenbar ein Lügner. Kein Wunder, dass
Contarini Flyte aus dem Weg haben wollte.»
Aber Bossi wurde
plötzlich skeptisch. «Ein Beweis, dass er Flyte
getötet hat, ist das trotzdem nicht», sagte er.
«Auch nicht unbedingt der Ring. Das sind zusätzliche
Indizien, aber keine eindeutigen Beweise dafür, dass Contarini
der Schurke ist.»
«Da haben Sie
recht», musste Tron zugeben. Ihm fiel ein Artikel in
der Times ein, den er vor ein paar Wochen im
Florian gelesen hatte. Ob Bossi, der seinen Commissario für
hoffnungslos altmodisch hielt und sich brennend für neue
Methoden der Kriminaltechnik interessierte, schon
davon gehört hatte? Tron sagte: «Im Idealfall
hätten wir einen Fingerabdruck.»
«Einen was, bitte?»
«Einen
Fingerabdruck. Nie gehört? Sie sind doch ein großer
Anhänger der Kriminaltechnik.»
«Ja,
sicher», sagte Bossi verunsichert. «Aber ein Fingerabdruck :?
Was ist das?»
Tron lächelte.
«Ich zeig’s Ihnen. Ziehen Sie mal die Schublade von
Flyte auf. Auf der linken Seite liegt ein Stempelkissen und daneben
ein Stapel Papier. Nehmen Sie beides raus und legen Sie es auf den
Tisch. Ein Blatt Papier reicht.»
Bossi öffnete die
Schublade und legte das Stempelkissen und das Blatt vor sich hin.
Dann warf er einen misstrauischen Blick über den Tisch.
«Und jetzt?»
«Klappen Sie den
Behälter auf und drücken den Zeigefinger Ihrer rechten
Hand auf das Stempelkissen», sagte Tron.
«Tun Sie so, als
ob Ihr Zeigefinger ein Stempel wäre. Danach mache ich einen
Abdruck von meinem Finger. Und anschließend
zeige ich Ihnen etwas.»
Bossi hatte die leicht
gequälte Miene eines Erwachsenen aufgesetzt, der sich aus
reiner Freundlichkeit auf einen Kinderscherz einlässt. Als er
fertig war, schob er das Blatt über den Tisch, und Tron versah
es seinerseits mit einem Abdruck.
«Das sind zwei
Fingerabdrücke», sagte Tron. «Ihrer und meiner.
Finden Sie, dass die Abdrücke gleich
aussehen?»
Bossi jedenfalls sah
gelangweilt aus. Er drehte das Blatt auf die Seite, dann auf den
Kopf und dann wieder auf die Seite und wieder auf den Kopf. Doch
dann runzelte er irritiert die Stirn. «Die Abdrücke
unterscheiden sich», sagte er erstaunt. «Meine Linien
verlaufen völlig anders als Ihre Linien.»
Tron nickte.
«Genau das ist der Punkt. Ich hab vor ein paar Tagen einen
Artikel in der Times gelesen. Schon mal was von Sir
James Herschel gehört?»
«Nein,
Commissario.»
«Ich vorher auch
nicht. Der Mann lebt in Indien. In Bengalen, schreibt die Times - vermutlich eine
indische Provinz. Dieser Herschel ist Kolonialbeamter und
zuständig für die Auszahlungen der Pensionen in der
britischen Kolonialarmee. Und da gab es immer wieder Pensionsbetrug
durch Identitätsschwindel.»
«Leute, die
nicht berechtigt waren, Auszahlungen zu empfangen, haben sich als
Berechtigte ausgegeben?»
Tron nickte. «So
ungefähr vermutlich. Jedenfalls hatte James Herschel die Idee,
Personen anhand ihres Fingerabdrucks zu
unterscheiden.»
«Kann man
das?»
«Sie haben es
doch gerade gesehen», sagte Tron. «Man kann es sehr
gut. Dieser Herschel hat zwei Dinge herausgefunden. Erstens, dass
Fingerabdrücke von Mensch zu Mensch tatsächlich
völlig verschieden sind. Und zweitens, dass sich die
Fingerabdrücke im Laufe des Lebens nicht
verändern.»
Bossi riss die Augen
auf. «Wenn das stimmt, wäre das eine absolut perfekte
Methode, Leute zu identifizieren.»
Tron nickte.
«Richtig. Allerdings, schreibt die Times, ist diese Methode bisher lediglich
für administrative Zwecke verwendet worden. Und auch nur in
Indien. Die Times fragt sich dann im letzten Satz
des Artikels, warum noch
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