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Die letzte Lagune

Die letzte Lagune

Titel: Die letzte Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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niemand auf den Gedanken gekommen ist,
Fingerabdrücke in der Polizeiarbeit zu
verwenden.»
    «Was bedeutet
das für unser Problem mit
Contarini?»      
    Tron seufzte.
«Leider rein gar nichts.»
    «Und was machen
wir jetzt?»
    «Ich rede morgen
mit Spaur», sagte Tron. «Er wird enttäuscht sein,
dass Contarini sich gestern wenig kooperativ gezeigt hat. Aber das
war gestern. Jetzt sieht es so aus, als könnten wir den Druck
auf Contarini verstärken. Und darauf dringen, dass er uns die
Fortsetzung des Tagebuchs aushändigt.»
    Aber Bossi
schüttelte den Kopf. «Ich glaube nicht, dass er das tun
wird. Rom hat nicht zufällig einen Mann wie Contarini nach
Venedig geschickt und ihm freie Hand gelassen.»
    «Verraten Sie
mir, worauf Sie hinauswollen, Bossi.»
    «Dass es
vielleicht um mehr geht, als nur die Aufklärung eines
historischen Sachverhalts zu verhindern», sagte Bossi.
«Natürlich ist es unangenehm für die Kirche, wenn
eine ihrer Lichtgestalten plötzlich als Schurke dasteht. Das
ist das Letzte, was der Papst im Moment brauchen kann. Aber um das
zu verhindern, lässt er Contarini keine Morde
begehen.»
    «Worum sollte es
sonst noch gehen?»
    Bossi schwieg und
studierte seine Fingernägel. Schließlich sagte er:
«Um das Glas, von dem dieses geheimnisvolle Glühen
ausgeht.»
    Tron musste
unwillkürlich lachen. «Das Adjektiv geheimnisvoll stammt von Ihnen,
Bossi. Zanetto Tron schreibt, dass es sich dabei auch um einen
Lichtreflex gehandelt haben könnte.»
    «Und wenn es
mehr als der bloße Reflex einer Fackel war? Wenn es sich um
...» Bossi brach den Satz ab und richtete seine Augen auf
einen imaginären Punkt an der Wand. Sein Blick hatte
plötzlich etwas Entrücktes.
    Tron hatte bei
Verhören immer wieder beobachtet, dass Menschen, die sich an
etwas erinnern wollten, den Blick nach oben links lenkten.
Menschen, die ihn belogen, guckten bei ihren Geschichten
automatisch nach oben rechts. Und Visionäre lenkten ihren
Blick ebenfalls nach oben rechts, wobei ihre Augen meist einen
Einschlag ins Glasige bekamen. So wie eben die Augen des Ispettore.
Eigentlich, sagte sich Tron amüsiert, hätte er es kommen
sehen müssen. Zeitgenossen wie Bossi, die fest an die
Segnungen des technischen Fortschritts glaubten, hatten oft einen
Hang zum Irrationalen. Seancen bei modernster Gasbeleuchtung,
durchgeführt in einem hochmodernen Telegraphenamt -das war
Bossis Welt. Kein Wunder, dass sich die Phantasie des Ispettore an
dem angeblichen Glühen dieses Glases entzündet
hatte.
    Tron fragte mild:
«Was sollte es sonst sein, Ispettore?»
    «Ich weiß
es nicht», sagte Bossi störrisch. «Byzanz war
damals voller wertvoller Reliquien. Das hat Zanetto Tron doch
selber geschrieben.»
    «Er hat auch
geschrieben, dass es sich meist um Fälschungen gehandelt
hat», sagte Tron.
    Aber Bossi blieb
hartnäckig. «Und wenn es sich diesmal um eine echte Reliquie gehandelt
hat? Oder warum sollte sich Innozenz persönlich dafür
interessieren? Und um Nachricht bitten, wenn Dándolo am Ziel ist?»
    «Sie meinen, das
Ziel war dieses Glas?»
    Bossi nickte heftig.
«Und es könnte Zanetto Tron gelungen sein, das Glas nach
Venedig zu bringen.» Seine Augen glänzten, als
hätte er gerade das Wort Unterseekabel ausgesprochen.
    Tron musste lachen.
«Venedig ist voller Reliquien, die keine sind», sagte
er.
    Inzwischen war es in
der Wohnung so kalt geworden, dass der Atem vor dem Mund
kondensierte. Es wurde Zeit, diesen ungastlichen Ort zu verlassen.
Außerdem lag Flytes Leiche noch im Schlafzimmer, und
irgendjemand musste sich endlich auf den Weg zum medico
legale machen. Tron schielte zu Bossi
hinüber. Ob der Ispettore protestieren würde, wenn er ihn
bat, Dr. Lionardo zu holen? Ihn bat! Als Bossi noch im Rang
eines Sergente stand, dachte Tron, war vieles einfacher gewesen.
Jetzt konnte man ihm nicht einfach einen Befehl erteilen, sondern
musste höflich anfragen, am besten mit zwei Konjunktiven im
Satz. Falls
es Ihnen nichts ausmachen würde, Ispettore, dann
könnten ... Ja, so
ungefähr.
    Aber als Tron den Satz
aussprechen wollte, kam ihm Bossi bereits zuvor. «Was halten
Sie davon, wenn ich jetzt Dr. Lionardo hole, Commissario?»,
fragte er.
    Tron stand
lächelnd auf. «Das ist eine hervorragende Idee,
Ispettore.»

45
    Als Tron am
nächsten Morgen kurz vor elf in die Questura kam, lag der
Bericht Dr. Lionardos bereits auf seinem Schreibtisch. Der Bericht
bestätigte, was der medico legale bereits gestern Abend
festgestellt hatte:

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