Die letzte Lagune
furchtbaren Wetters auf den Weg
gemacht.»
Einen Moment lang
dachte Tron, er hätte sich verhört. «Contarini hat
Sie gestern Abend besucht?»
Spaur nickte.
«Die Angelegenheit ist jetzt geregelt. Contarini hat
angedeutet, dass sich das Interesse Roms an den Tagebüchern
gelegt hat.»
«So
plötzlich?»
Spaur zuckte mit den
Achseln. «Offenbar. Fragen Sie mich nicht,
warum.»
«Um welche Zeit
war Contarini bei Ihnen?»
Spaur überlegte
einen Moment. «Gegen fünf», sagte er. «Er
kam direkt aus dem Seminario.»
«Dann ist er
also unmittelbar nachdem wir uns verfehlt hatten, ins Seminario
gelaufen», sagte Tron.
Spaur runzelte die
Stirn. «Sie hatten sich verfehlt? Waren Sie mit Contarini
verabredet?»
«Contarini hatte
Flyte gestern Nachmittag einen Besuch abgestattet. Und Ispettore
Bossi und ich hatten ebenfalls einen Grund, Dr. Flyte
aufzusuchen.»
«Und da haben
Sie sich verfehlt?»
Tron nickte.
«Der Monsignore war schneller als wir. Er konnte
entkommen.»
«Entkommen?» Spaur schien jetzt
kapiert zu haben, dass etwas nicht stimmte. «Ich kann Ihnen
nicht folgen.» Er nahm ein Praliné aus der
Demel-Schachtel und wickelte es aus.
«Es spricht
einiges dafür», sagte Tron, indem er jedes Wort einzeln
betonte, «dass Contarini gestern Nachmittag irgendwann
zwischen vier und halb fünf Dr. Flyte in seiner Wohnung
ermordet hat. Er hat ihn mit einer Derringer
erschossen.»
Spaur ließ das
Stück Mandelkrokant, das er gerade ausgewickelt hatte und zum
Mund führen wollen, auf den Tisch fallen. «Wie
bitte?»
«Dr. Flyte ist
gestern Nachmittag in seiner Wohnung getötet worden»,
sagte Tron. «Und wir vermuten, dass Contarini der Täter
gewesen ist.»
Einen Moment lang
starrte Spaur wortlos auf das Praliné, das vor ihm auf dem
Tisch lag. Dann zog er eine Flasche aus der linken Schublade,
entnahm der rechten Schublade ein Wasserglas und füllte es zur
Hälfte. Er schwenkte das Glas, und der leichte Vanillegeruch
eines guten Cognacs schwebte über den Schreibtisch. Spaur
führte das Glas zum Mund, nahm einen kräftigen Schluck
und schloss die Augen. Nachdem er sie wieder geöffnet hatte,
sagte er: «Ich habe immer etwas für Notfälle in der
Schublade. Wollen Sie?»
Tron schüttelte
den Kopf.
«Berichten Sie,
Commissario», sagte Spaur.
*
«Das sind doch
alles keine Beweise!», rief Spaur, nachdem Tron seinen
Bericht beendet hatte. Er hatte sich noch einmal nachgeschenkt und
Tron ansonsten mit geschlossenen Augen gelauscht.
«Der
Ring», fuhr Spaur fort, könnte ebenso gut von einem
anderen Contarini stammen. Die Contarinis sind eine weitverzweigte
Familie. Und dass der Monsignore mich gebeten hatte, Flyte ein
wenig aus dem Verkehr zu ziehen, macht ihn nicht automatisch zum
Mörder.»
Tron sagte: «Sie
selber haben mich auf den Mord verwiesen, in den Contarini in Wien
verwickelt war.»
«Das waren
Verdachtsmomente. Aber es sind keine Beweise dafür, dass es
Contarini war, der Flyte gestern getötet
hat.»
Tron staunte immer
wieder darüber, mit welcher Selbstverständlichkeit Spaur
seine Urteile und seine Meinungen opferte, wenn sie ihm nicht mehr
in den Kram passten. Das Bemerkenswerte daran war, dass Spaur dabei
weder sich selber noch andere belog. Er war jedes Mal zutiefst
überzeugt von dem, was er gerade von sich gab.
«Es wäre
interessant», sagte Tron, «die Reaktion Contarinis zu
beobachten, wenn wir ihn mit dem Ring
konfrontieren.»
«Sie haben vor,
noch ein Gespräch mit ihm zu führen?»
«Ja,
natürlich», sagte Tron.
«Ich
fürchte, das wird schlecht möglich
sein.»
«Warum
nicht?»
«Weil Contarini
die Stadt heute Morgen verlassen hat», sagte Spaur. «Er
ist mit dem Frühzug nach Verona gefahren und begibt sich von
dort aus nach Rom. In Rom wird er sich zwei Nächte aufhalten und
dann kurz nach Venedig zurückkehren. Um den Transport seines
Gepäcks zu regeln und um mir mit vierzigjähriger
Verspätung eine korrekte Scheidungsurkunde auszuhändigen.
Ich kann mich also nicht beklagen.»
«Was bedeutet
das für uns?
«Dass wir allen
Grund haben, dem Monsignore nicht länger lästig zu
fallen», sagte Spaur. «Die Angelegenheit ist erledigt.
Jedenfalls was Contarini betrifft. Im Übrigen», fuhr er
fort, «gibt es eine ganze Reihe von Spuren, denen Sie noch
nachgehen könnten.»
Spaurs Stirn legte
sich in Falten, und Tron konnte förmlich sehen, wie der
Polizeipräsident sein Gehirn nach diesen Spuren
durchforstete.
«Kümmern
Sie sich um Lime»,
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