Die letzte Lagune
spielt er sich päpstlicher auf als der Papst.
Ähnliche Befürchtungen scheint auch Monsignore Contarini,
der aus Rom angereist ist, zu haben. Er behauptet ebenfalls, die
Tagebücher würden der Kirche gehören. Nur weil
Zanetto Tron auf San Lazzaro gestorben ist.»
«Ist auch aus
Wien jemand angereist?»
«Ja. Lodron, der
Direktor der Hofbibliothek. Er hat mich ebenfalls um Einsicht in
die Tagebücher gebeten», antwortete Flyte. «Und
mich darauf hingewiesen, dass die Hofbibliothek sich jederzeit an
den Ballhausplatz wenden kann, um mich ausweisen zu lassen. Was den
Ballhausplatz allerdings nötigen würde, eine Vereinbarung
mit dem Foreign Office zu revidieren.»
«Ist das
denkbar?»
Flyte zuckte die
Achseln. «Es würde sich auf jeden Fall hinziehen. Aber
Lodron scheint in Eile zu sein. Er hätte es am liebsten, wenn
ich morgen meine Koffer packen würde. Genauso wie
Contarini.» Er betrachtete einen Moment lang den Guardi
über der Recamiere der Principessa. Dann sagte er scheinbar
unvermittelt: «Und die beiden sind nicht die Einzigen, die
mich gerne aus dem Weg schaffen würden. Sie haben heute Morgen
meinen Onkel im Palazzo Zafon besucht?»
Tron war
überrascht. «Woher wissen Sie das?»
«Von meiner
Cousine. Sie arbeitet für meinen Onkel», sagte Flyte.
Und dann fügte er etwas hinzu, das Tron zunächst nicht
verstand. «Wir sind nicht blutsverwandt. Was unsere
Pläne in gewisser Weise vereinfacht.»
«Welche
Pläne?», erkundigte sich die Principessa.
«Unsere
Verlobung», sagte Flyte, indem er leicht errötete.
«Holly und ich möchten noch in diesem Jahr heiraten.
Spätestens aber dann, wenn mir das Vermögen meines Vater
zugesprochen wird und meine Arbeit an den Tagebüchern
abgeschlossen ist.»
«Damit werden
Sie zweifellos großes Aufsehen erregen», meinte
Tron.
«Es wird mir
auch das höhere Lehramt in Oxford eintragen», entgegnete
Flyte. «Genau das erwartet Miss Parker von mir. Ich
möchte sie um nichts in der Welt
enttäuschen.»
«Miss Parker ist
eine außerordentlich beeindruckende junge Frau», sagte
Tron lächelnd.
Flyte beugte sich
überrascht vor. «Sie kennen Holly,
Commissario?»
Tron nickte.
«Wir sind uns im Salon Ihres Onkels begegnet»,
erklärte er. «Miss Parker unterhielt sich gerade mit
einem Angestellten Ihres Onkels.»
Flytes Kinn hob sich
mit einem Ruck. «Mit einem Angestellten meines Onkels?
Sprechen Sie von Mr. Lime?»
Tron hob die
Schultern. «Der Signore hat sich nicht
vorgestellt.»
«Graublonde
Haare? Dicklich? Stupider Gesichtsausdruck?»
«So könnte
man ihn beschreiben», sagte Tron und dachte: «Na
wunderbar. Um die schöne Holly Parker schien ein regelrechter
Kampf zu toben. Ob Flyte wusste, dass die Unterhaltungen zwischen
Holly Parker und Lime auf dem Sofa stattfanden? Fanden seine Unterhaltungen mit
Holly Parker auch auf dem Sofa statt? Oder womöglich nicht auf dem Sofa? War das
sein Problem?
Flyte war
aufgesprungen. «Lime macht Holly den Hof», sagte er mit
gepresster Stimme. «Der Kerl bildet sich ein, dass er freie
Bahn hat, wenn ich aus dem Weg geschafft bin.»
Auf einmal schien er
es sehr eilig zu haben, den Palazzo Balbi-Valier zu verlassen. Er
wies auf den braunen Umschlag, den er auf den Tisch gelegt hatte.
«Darin ist die Fortsetzung des Tagebuchs.» Dann gab er
Tron die Hand und verabschiedete sich von der Principessa mit einem
eckigen Handkuss.
*
Erst nachdem Flyte den
Salon verlassen hatte, fiel Tron auf, dass der Engländer sich
nicht nach dem Archiv der Trons erkundigte hatte. Wusste Flyte,
dass das Archiv bei einem Brand Anfang des 14. Jahrhunderts
vernichtet worden und kein Dokument älter als fünfhundert
Jahre war? Oder hatte er vergessen, danach zu fragen?
16
Tron beugte sich eckig über
den Tisch und ergriff die Teetasse, wobei er den kleinen Finger der
rechten Hand affektiert abspreizte. «Was sagst
du?»
Die Principessa
lachte. «Mir ist auch aufgefallen, dass er sich eckig
bewegt und den kleinen Finger beim Trinken
abspreizt.»
«Gefällt er
dir trotz des Fingers?»
«Er sieht
ansprechend aus, und wenn er den Prozess gegen seinen Onkel
gewinnt, ist er eine gute Partie», sagte die Principessa.
«Miss Holly Parker kann sich glücklich schätzen.
Obwohl er vermutlich eher ein aufgeregter als ein feuriger
Liebhaber ist.»
Tron war die
Unterscheidung zwischen einem aufgeregten
Liebhaber und einem feurigen Liebhaber unbekannt. Er
vermutete, dass die Principessa dieses Wissen in demjenigen
Zeitraum ihres Lebens
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