Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzte Lüge: Thriller (German Edition)

Die letzte Lüge: Thriller (German Edition)

Titel: Die letzte Lüge: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Jonge
Vom Netzwerk:
bequem, als die Barfrau eine rostige alte Kuhglocke über den Kopf schwingt, ein paarmal läutet und die letzte Runde ankündigt. Es ist dieselbe Barfrau, die auch neulich Nacht gearbeitet hat. O’Hara will sie fragen, ob sie eine Band namens Last Call Brawl kennt, fürchtet dann aber, dass sie ihr Glück mit ihrer Bestellung von drei Bourbon und drei Jägermeistern schon genug strapaziert.
    »Ich hab gesagt, ich lade dich auf einen Drink ein«, sagt die Barfrau lächelnd. »Keine sechs.«
    »Keine Sorge, ich bezahl dafür. Und ja, die sind alle für mich.«
    »War wohl ein langer Tag, Süße?«
    »Allerdings.«
    Wäre irgendetwas Trauriges und Langsames aus den Boxen gekommen, hätte O’Hara möglicherweise etwas sehr Peinliches getan. Zum Beispiel drauflos heulen. Zum Glück und auch passenderweise aber ist es Steve Marriott, der Frontmann von Humble Pie, der »30 Days in the Hole« schreit, als wären sechzig noch besser gewesen. Und als Skynyrd und Zeppelin folgen, fragt sich O’Hara, wie sie ihr Leben bloß ertragen konnte, bevor sie diesen Laden entdeckt hatte. Wenn’s ums Trinken geht, und das tut es ja meistens, machen Krekorian und O’Hara einen großen Bogen um die Lower East Side und das East Village. Einerseits halten sie sich damit an die Vorschrift, die es Polizisten verbietet, Lokale in ihrem eigenen Bezirk aufzusuchen. Wobei diese Vorschrift jeden Abend ignoriert wird und sich schon seit zehn Jahren niemand mehr darüber aufregt. Andererseits – und das ist der wahre Grund – kommt sich O’Hara in den Hipster-Bars mit lahmarschigem iPod-Rock entsetzlich alt und uncool vor.
    Aber in diesem Laden hier wird der glorreiche Metal ihrer allzu kurzen Jugend gespielt und niemandem ist es peinlich, dass das Zeug einst aus Millionen von Autoradios dröhnte und in Stadien mit hunderttausend Sitzplätzen gespielt wurde. Obskur ist nicht immer gleichbedeutend mit gut und Mainstream heißt nicht unbedingt, dass etwas schlecht sein muss. Jedenfalls war das damals so. Und wenn sich Axl Rose, Steven Tyler und Robert Plant so gut wie gar nicht von den Typen in Spinal Tap unterscheiden, dann scheiß drauf, wer keinen Spaß versteht. Wenn’s nach O’Hara geht, ist albernes Hormongehabe schon die halbe Miete und gehört ganz klar zu dem, was am Rock’n’Roll gut ist.
    Jetzt läuft die erste Guns N’ Roses-Single, »Welcome to the Jungle«. O’Hara hat ihren zweiten Bourbon halb getrunken und fühlt sich 18 Jahre zurück in einen Keller in Brooklyn versetzt, wo sich eine aufsässige 15-Jährige mit Jimmy Beldock auszieht, einem schönen, charismatischen pockennarbigen Chaoten mit viel zu dicken Eiern in der Hose, als dass er irgendetwas anderes hätte machen können, als Sänger in einer Band zu werden.
    O’Hara wurde 1971 geboren. Ihr Vater, der als Fahrer für einen Lebensmittellieferanten arbeitete, starb elf Jahre später an einem Herzinfarkt. In den darauffolgenden Jahren zog sie mit ihrer Mutter und ihrem Bruder mindestens einmal pro Jahr um. Nicht weil das jeweilige Viertel zu verkommen war, sondern immer wenn die Wohnlage aufgewertet wurde und sie sich die Miete nicht mehr leisten konnten. Es war die Zeit als O’Hara anfing, sich nichts mehr sagen zu lassen. Als sie mit Beldock im Keller landete, war sie kaum noch zu bändigen – ein frühreifer, rothaariger Teenager, ein künftiges Groupie, das mit jedem abstürzte, der im Entferntesten etwas mit einer Band zu tun hatte.
    O’Hara kommt es vor, als hätte sie Sex und Rock’n’Roll in ein und derselben Nacht entdeckt. Für sie ist Sex nicht wie Rock’n’Roll. Sex ist Rock’n’Roll. Deshalb ließ sie sich in Beldocks Keller auch zu den Klängen von Led Zeppelin schwängern und brachte neun Monate später, drei Monate nach Erscheinen der ersten Guns N’Roses, Appetite for Destruction, einen 41 Zentimeter großen und 3,2 Kilogramm schweren, rothaarigen Jungen zur Welt, dem sie den Namen Axl Rose O’Hara aufbürdete. Gott sei Dank hasst er sie heute nicht dafür.
    Axls unvorhergesehene Ankunft – niemand hatte geahnt, dass er unterwegs war, bis die Schulkrankenschwester O’Hara acht Tage vor der Geburt zwang, ihre Hippiebluse zu heben – war der Grund, weshalb O’Hara von der Highschool flog und auf einer Sonderschule für Totalversager landete. Dort musste sie, um ihren Abschluss hinterhergeworfen zu bekommen, nicht mehr tun, als zum Unterricht zu erscheinen und sich von Prügeleien fernzuhalten. Sie war außerdem angehalten, ruhiger zu

Weitere Kostenlose Bücher