Die letzte Lüge: Thriller (German Edition)
Rein dekorativ, wie der Billardtisch, an dem niemand spielt, und die Bücher, die niemand liest. »Also K., woher zum Teufel kennst du den Laden hier überhaupt?«
»Jeder hat eine dunkle Seite, Dar.«
»Oh ja, stimmt, ich erinnere mich. Du warst ja auch auf dem College.«
30
Bei eeL, auf einem der besten Straßenabschnitte der Ludlow mit den vornehmsten Geschäften südlich der Stanton, steht lediglich ein Fahrrad im Schaufenster. Allerdings handelt es sich um keinen Fahrradladen und abgesehen von dem sehr auffällig präsentierten BMX-Modell, auf das die Zwölfjährigen aus den Sozialwohnungen und die 35-Jährigen aus der Innenstadt gleichermaßen abfahren, steht sonst nichts Fahrradverwandtes zum Verkauf.
Andererseits gibt es bei eeL überhaupt kaum etwas zu kaufen. Soweit O’Hara erkennen kann, besteht das komplette Inventar aus einem halben Dutzend T-Shirts und Sweatshirts, viele davon im Camouflagemuster, zwei verschiedenen Sorten Jeans und einem Regal mit japanischen Modezeitschriften. O’Hara kennt ähnliche Läden im 7. Bezirk, in denen ebenso willkürlich und spärlich Waren zum Verkauf angeboten werden. Jetzt, nachdem Krekorian Stubbs’ Dreitausend-Dollar-Kreditkartenzahlung hierher zurückverfolgt hat, weiß O’Hara zumindest, wie sich dieser hier über Wasser hält.
Eingetragene Eigentümerin ist eine gewisse Evelyn Lee, 32 Jahre alt, wohnhaft in der State Street, Brooklyn. Hinter dem Tresen sitzt eine Asiatin in ungefähr diesem Alter.
»Tolles Zeug«, sagt O’Hara und sieht sich betont lange in dem fast leeren Laden um. Wunderschön präsentiert.«
»Danke«, sagt die Frau und lächelt über ihren Laptop hinweg. »Lassen Sie es mich wissen, wenn ich Ihnen helfen kann.«
»Eigentlich bin ich auf der Suche nach der Eigentümerin, Evelyn Lee.« Die Erwähnung des Namens Lee, eeL rückwärts buchstabiert, wie O’Hara plötzlich dämmert, lässt das Lächeln der Frau augenblicklich gefrieren und ihre englischen Sprachkentnisse schwinden. »Freitag nix da«, sagt sie und klappt ihren Mac zu.
»Irgendeine Ahnung, wann sie hier sein wird?«
»Nie hier«, sagt die Frau und schüttelt entmutigend den Kopf. »Tut mir leid, Englisch nix gut.«
»Aber lesen können Sie«, sagt O’Hara und hält ihr die Büchereiausgabe von Die fünf Menschen, die dir im Himmel begegnen unter die Nase, die aufgeschlagen neben der Kasse liegt. »Beeindruckend.«
»Wer sein?«
»Wer ich? Ich sein NYPD. Und Sie?« Statt eine Antwort abzuwarten, greift O’Hara in die Umhängetasche in Schlangenlederoptik, die über der Stuhllehne hängt, und zieht eine Brieftasche heraus. »E. Lee«, liest sie vom Führerschein ab.
»Ich Eva, nix Evelyn. Lee häufiger Name in Korea.«
»Hab ich schon gehört«, sagt O’Hara und starrt noch immer auf den Führerschein. »Die Lee, die ich suche, ist aber ebenfalls 32 Jahre alt und wohnt in der State Street in Brooklyn. Am Morgen von Thanksgiving wurde ein neunzehnjähriges Mädchen namens Francesca Pena nicht weit von hier ermordet und wir wissen, dass sie für Sie gearbeitet hat, denn wir haben die Zahlung eines ihrer Kunden bis in diesen albernen Laden zurückverfolgt. Sie stecken ernsthaft in Schwierigkeiten, Evelyn, und das nicht, weil sie nur sechs T-Shirts verkaufen. Ich schlage vor, wir unterhalten uns jetzt wieder in vollständigen Sätzen.«
»Von welchem Kunden sprechen Sie?«
»Sagen Sie’s mir.«
»Francesca Pena hat nicht einmal eine ganze Woche für mich gearbeitet. Und das war vor acht Monaten. Sie nannte sich Holly. Holly Gomez.«
»Zu wie vielen Verabredungen haben Sie sie geschickt?«
»Drei«, sagt Lee. »Sie hatte jeweils ein Treffen mit drei verschiedenen Kunden.«
»Gab’s Probleme?«
»Im Gegenteil. Offensichtlich war Holly ein Naturtalent. Alle drei Kunden schwärmten von ihr – fünf Sterne, Standing Ovations, Daumen hoch. Sie haben immer wieder angerufen, um weitere Treffen gebeten und auch mehr Geld geboten. Aber Holly war nicht aufzutreiben. Hat mich eine Menge Geld gekostet und mich bescheuert dastehen lassen.«
»Ich brauche die Namen.«
Lee tippt etwas in ihren Laptop und sieht auf den Bildschirm. »Am neunten April war’s ein Typ vom Fernsehen namens Hank Stubbs. Vielleicht haben Sie von dem gehört. Von den anderen beiden, am zehnten und am elften, habe ich nur Namen und Kreditkartennummern.«
»Ich brauche alles, was Sie haben, von allen dreien.«
»Ich geb’s Ihnen gleich«, sagt Lee und unternimmt nicht den geringsten
Weitere Kostenlose Bücher